Beide gehören zu den ganz großen Staatsmännern des 20. Jahrhunderts: David Ben Gurion und Konrad Adenauer. Sie haben es geschafft, nach den Menschheitsverbrechen von Auschwitz, Treblinka und Sobibor, deutsch-israelische Beziehungen zu etablieren, wie sie vielen damals unvorstellbar schienen. Wie sehr dabei auch die persönliche Komponente in der Beziehung Ben-Gurions und Adenauers ausschlaggebend war, zeigt Michael Borchard in seinem Buch „Eine unmögliche Freundschaft. David Ben-Gurion und Konrad Adenauer“. Ein präzise recherchiertes und wirklich gelungenes Buch - und doch hinterlässt es eine wesentliche Frage.

Wüssten Sie, was „Adenauer-Brot“ und „Ben-Gurion-Reis“ ist? Als Anfang des Jahres 1915 - infolge von Versorgungsschwierigkeiten im Ersten Weltkrieg - alle Vorräte von Roggen, Weizen und Mehl durch das Reich beschlagnahmt wurden, um eine zentrale Reichsverteilungsstelle zu errichten, stellte sich Konrad Adenauer, damals Erster Bürgermeister der Stadt Köln und Enkel bzw. Ur-Enkel einer Bonner Bäckerfamilie, selbst in die Backstube, und erfand ein Brot aus Mais-, Gersten- und Reismehl sowie aus Kleie.

Ebenso hatte Ben-Gurion, ab 1948 erster Ministerpräsident des von ihm ausgerufenen Staates Israel, knapp 40 Jahre später, Schwierigkeiten mit der Lebensmittelversorgung seiner Bevölkerung. Der Reisanbau in Israel gestaltet sich schwierig; Handelsblockaden der arabischen Länder erschwerten den Lebensmittelimport erheblich. So ließ Ben-Gurion mit dem Lebensmittelhersteller Osrem einen Reisersatz durch gebratene kleine Nudeln erfinden, um die Ernährung seiner Bevölkerung sicherzustellen.

Der Autor der vorliegenden Buches Michael Borchard, selbst Journalist und Politikwissenschaftler, der beim Adenauer-Biografen Hans-Peter Schwarz promovierte, stellt diese beiden Geschichten zur Charakterisierung der beiden Protagonisten gegenüber. Sowohl Konrad Adenauer als auch David Ben-Gurion seien beides Staatsmänner von solchem Format gewesen, dass sie in den noch so aussichtslosen Situationen Lösungen für ihr Volk suchten - und zu finden vermochten. Die Parallelen in den Biografien, die gewisse Ähnlichkeit der Charaktere, die menschliche Größe des jeweiligen und gemeinsamen Neuanfangs - all diese Aspekte stellt Borchard auf circa 350 Seiten dar. Er reiht dabei im wesentlichen einzelne Anekdoten der gemeinsamen Geschichte aneinander. Das Buch verfolgt insofern strukturell keinen im engeren Sinne wissenschaftlichen Ansatz, was aber dem Informationsgehalt keinen Abbruch tut.

Und doch ist das Buch keine „Lobhudelei“ auf zwei Lichtgestalten der Geschichte. Ganz im Gegenteil: Zwar ohne neue Quellen zu erschließen, geht Borchard durch sehr kluge Nutzung der üppigen Quellenlage sehr kritisch an die Protagonisten heran. Der ehemalige Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel und Redenschreiber Helmut Kohls zeigt gerade Adenauer auch als Person, die - als Mann seiner Zeit - in Israel  auch problematische Aussagen getätigt hat, die für nicht wenige Israelis nur schwer hinnehmbar waren.

Dennoch bauten Adenauer, der immerhin schon zu Weimarer Zeiten Mitglied des auf Initiative des Zionisten Kurt Blumenfeld gegründeten Komitees „Pro Palästina“ war, und Ben-Gurion tragfähige Verbindungen  auf, die - vielleicht mit der Ausnahme der Beziehung Helmut Schmidt und Menachem Begin - bis heute auch immer von einer persönlichen Komponente getragen wurden.

Schließlich ist genau das wohl die Kernthese Borchards: Dass Adenauer und Ben-Gurion es schafften, nach dem Geschehenen eine solch tragfähige Beziehung zwischen Israel und Deutschland herzustellen, lässt sich nicht nur auf die gegenseitige Interessenlage zurückzuführen, sondern vor allem auf eine persönliche Beziehung - ja auf eine „unmögliche Freundschaft“.

Nichtsdestoweniger: Von Freundschaft zu sprechen ist eine steile These. Konrad Adenauer und David Ben-Gurion haben sich in ihrem ganzen Leben nur zweimal getroffen - 1960 das erste Mal im Waldorf Astoria in New York und sechs Jahre später in Ben-Gurions Kibbuz Sde Boker in der Negev-Wüste. So sehr dieses wirklich hervorragende Buch insgesamt überzeugt - von einer Freundschaft zu sprechen, ist mithin weniger überzeugend als die ansonsten wirklich sehr lesenswerte Einführung in das Leben zweier Männer, denen wir mit der deutsch-israelischen Freundschaft wirklich viel zu verdanken haben.