Der Fall bewegt die deutsch-ungarischen Beziehungen. Während in Berlin Linke und Grüne einen brutalen Schläger zum Opfer deklarieren wollen, stellt Budapest klar, dass in der Donaurepublik der Rechtsstaat auch für Linksextreme gilt

Mitte Juli 2025 kündigte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) an, nach Budapest zu reisen, um mit der ungarischen Regierung über die Haftbedingungen eines in Ungarn einsitzenden Angeklagten in einem Strafprozess verhandeln zu wollen. Die Ungarn freuen sich über jeden Besuch aus Deutschland, doch würden sie mit Herrn Wadephul eher über die Zukunft der deutsch-ungarischen Beziehungen sprechen wollen – gerade nachdem aus Deutschland jahrelang Kritik an der ungarischen Politik geäußert wurde, die sich oftmals als falsch herausstellte und mehr über die innerdeutsche Diskussion selbst aussagt. Stattdessen dient die hochrangige Visite allein dem Zweck von Hafterleichterungen einer kriminellen Einzelperson. Eine Rekonstruktion in fünf Akten.

Eine gemeinsame Geschichte

Deutschland und Ungarn waren in ihrer gemeinsamen Geschichte über tausend Jahre miteinander auf das Engste verbunden, Ungarn war mittelbar Teil des deutschen Sprach-, Kultur- und Zivilisationsraumes. Dazu gehörte auch, dass die beiden Länder seit der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955 in keinem kriegerischen Konflikt mehr gegeneinander waren. Als am 11. Februar 1945, zum Ende des Zweiten Weltkriegs, deutsche und ungarische Truppen und Zivilisten den Ausbruch aus der feindlichen sowjetischen Umlagerung der Burg von Buda wagten, starben mehr als 24.000 Menschen, nur etwa 800 erreichten die deutschen Linien. Dieser Tag ging ein in die Geschichte einer deutsch-ungarischen Schicksalsgemeinschaft, der seitdem auf unterschiedlichste Weise begangen wird. Viele Rechtsradikale gedachten diesem „Tag der Ehre“ mit Aufmärschen, doch die großen Teile der Mehrheitsgesellschaft hielten das Andenken zivilisiert, friedlich und ohne politische Bewertung wach. Damit wollten sie das Gedenken bewusst nicht den wenigen Naziromantikern überlassen, sondern an das Ereignis als einen ungarischen Trauertag erinnern.

Linksextreme und vermeintliche Rechtsextreme

Nahezu grotesk mutet an, dass – ganz anders als die Linksradikalen – selbst die Rechtsradikalen in diesem Kontext gewaltfrei blieben. Gerade den linksextremen Kräften in Deutschland war es ein Dorn im Auge, dass eine vermeintlich rechtsextreme Erscheinung – die der Ausbruchsversuch aber auch nach der Ansicht vieler Historikern keineswegs war – immer wieder zelebriert wird. Dass dies ausgerechnet im als autokratisch gebrandmarkten Ungarn geschieht, wird als wohlfeiler Beleg der angeblich autoritären Gesinnung der ungarischen Regierungspolitik bewertet. Freilich wurde der 11. Februar schon in der Regierungszeit früherer linker Regierungen begangen, doch dies passt nicht ins aktuelle Bild. Auch wird verschwiegen, dass die Regierung von Viktor Orbán nichts mit rechtsradikalen Umtrieben gemein hat und eine maximal große Distanz zu deren Aktivitäten hält. In Ungarn gilt zumal beim Antisemitismus eine Null-Toleranz-Politik, die jüdischen Gemeinschaften im Lande erleben eine Renaissance, auch nach deren eigener Darstellung ist Ungarn eine der sichersten Länder für Juden in Europa. In Ungarn gibt es rapide sinkende Kriminalitätszahlen und gewalttätiger politischer Extremismus oder gar muslimischer Fanatismus sind heute völlig unbekannt. Dass das friedliche Ungarn zur Zielscheibe eines militanten deutschen Linksextremismus wurde, sagt dann doch mehr über die deutschen Verhältnisse aus. Im Februar 2023 attackierten eigens zu diesem Zweck aus Deutschland eingereiste Linksradikale, die in den Medien oft als Mitglieder der „Hammerbande“ bezeichnet wurden, in mindestens vier Fällen wahllos Passanten auf Budapests Straßen, die sie aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes als vermeintlich Rechtsradikale wahrnahmen. Die Angriffe erfolgten aus dem Hinterhalt, mit Hämmern, Schlagstöcken und Metallstangen, die unschuldigen Angegriffenen wurden von der Bande gemeinschaftlich attackiert und auch noch dann malträtiert, als sie bereits auf dem Boden lagen.

Der Rechtsstaat gilt für alle

Die Angreifer versuchten sich nach vollbrachter Tat unmittelbar ins Ausland abzusetzen, um einer Strafverfolgung zu entgehen, doch einige wurden noch in Ungarn festgenommen. Vielleicht wären sie in Deutschland erfolgreich untergetaucht, doch Ungarn stellte Auslieferungsanträge. Während ein anderer Tatverdächtigter aufgrund des laufenden Strafprozesses in Deutschland nicht ausgeliefert wurde, überstellten die deutschen Behörden den damals 22-jähren Simeon T. nach Ungarn. Er soll der Anklage nach an allen vier Attacken beteiligt gewesen sein. Der Tatvorwurf ist schwere Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung; in Deutschland käme wohl zusätzlich der Vorwurf des versuchten Mordes dazu, da die Opfer heimtückisch angegriffen wurden. Am 28. Juni 2024 wurde T. nach Ungarn ausgeflogen, nachdem am Tag zuvor das Kammergericht Berlin sowie der Bundesgerichtshof die Klage gegen die drohende Auslieferung verwarfen. Jedoch stoppte das Bundesverfassungsgericht am folgenden Morgen im einstweiligen Rechtsschutz die Auslieferung und urteilte im Februar 2025 in der Hauptsache, dass das Kammergericht nochmals die Umstände der genauen Haftbedingungen in Ungarn hätte prüfen müssen. Jedoch befand sich T. am 28. Juni 2024 zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf ungarischem Boden. Im laufenden Strafprozess in Budapest wies der Angeklagte die Tatvorwürfe zurück und verlas stattdessen eine politische Erklärung, in der die Haftbedingungen kritisiert wurden und allgemein der ungarische Rechtsstaat wie die Politik des Landes. In Ungarn gilt der Rechtsstaat jedoch für alle, wer andere derart attackiert, muss mit Konsequenzen rechnen. Damit haben die Tatverdächtigen wohl nicht gerechnet, zu sehr wähnten sie sich in ihren eigenen Schutzräumen sicher. Doch in Ungarn gilt eine Law-and-Order-Politik.

Die deutschen Linken schalten sich ein

Politisch aufgeladen wurde der Fall, als Politiker der deutschen Linkspartei die sich mittlerweile Maja T. nennende Person in der Haftanstalt in Budapest aufsuchten und dabei Zeter und Mordio schrien. Thematisiert wurde nicht etwa die menschenverachtende Brutalität der Tat, sondern einzig der Umstand, dass die Haftbedingungen nicht den Ansprüchen von Maja T. entsprächen. Zudem bezeichnet sich Maja T. jetzt als queere Person und identifiziert sich als nicht-binär, was dazu führe, dass sie in Isolationshaft sitzen müsse und daher schlecht behandelt werde. Doch gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Isolationshaft schützt in erster Linie gerade Maja T. vor den Mithäftlingen. Die ungarische Rechtsauffassung orientiert sich am wissenschaftlichen Stand der Biologie: es gibt nur Mann oder Frau. Die sich als Frau ausgebende Maja T. wurde als Simeon T. geboren und gilt daher nach ungarischer Gesetzeslage als Mann. In einem Männergefängnis könnte die körperliche Unversehrtheit dieser Person wohl kaum garantiert werden und in Ungarn werden die sich als Frauen bezeichnenden Männer nicht in Frauengefängnisse gesteckt, um die dortigen Frauen zu schützen. Jedoch werden diese eindeutigen Tatsachen ins Gegenteil verkehrt und am ersten Jahrestag der Auslieferung besuchten die deutschen Politiker der Grünen Katrin Göring-Eckardt MdB und Daniel Freund MdEP die Transperson in Budapest. Die schweren Vorwürfe insbesondere an die Adresse der ungarischen Regierung wurden gebetsmühlenartig repetiert und es wurde gefordert, dass Maja T. wieder nach Deutschland rücküberführt werden sollte. Dem verschließt sich die ungarische Seite. Mittlerweile ist Maja T. in einen Hungerstreik getreten und wurde vor wenigen Tagen in ein Haftkrankenhaus in Südungarn verlegt.

Ein hochpolitisierter Fall

Im Fall von Maja T. kommen alle Befindlichkeiten und Missverständnisse zusammen, die das aktuelle deutsch-ungarische Verhältnis belasten und die ein genaues Sittenbild der deutschen Gesellschaft zeichnen. Die deutsche Politik erhebt Vorwürfe, die wohl viel von der inneren Befindlichkeit Deutschlands verraten. Der eigentliche Anlass, der Tag der Ehre, wäre ohne den Nationalsozialismus und die daraus folgende sowjetische Besetzung Ungarns gar nicht zu denken gewesen. Ebenso können es viele Ungarn nicht fassen, dass ein gewaltbereiter Linksextremismus in Deutschland um sich greift und diese Gewalt in friedliche und unbeteiligte Länder exportiert, mit Duldung der deutschen Politik. Dass dabei gegen linksradikale Störenfriede in Deutschland kaum etwas unternommen wird, sondern sie von der Politik auch noch hofiert werden, spricht Bände und lässt Deutschland aus ungarischer Sicht in keinem guten Licht dastehen. Die Forderung, die ungarische Regierung müsse etwas für Maja T. unternehmen, ist absurd angesichts der klaren Gewaltenteilung, die in Ungarn sehr ernstgenommen wird.

Gleich zu Prozessauftakt wurde das ungarische Kulturzentrum in Berlin von der Antifa gewaltsam angegriffen. Ungarn kennt keinen Linksextremismus und möchte mit ihm auch nichts zu tun haben. Straftäter müssen nach ungarischem Rechtsverständnis unabhängig von ihrer politischen Einstellung und sexueller Orientierung zur Rechenschaft gezogen werden. Im Falle von Maja T. besteht hierfür auch eine Chance, sollte die deutsche Politik nicht diesen Fall zum Anlass nehmen, ohne sachliche Rechtfertigung noch mehr politischen Druck auf Ungarn auszuüben, um einer fanatisierten radikalen Minderheit entgegenzukommen. Am Sonntag, den 13. Juli organisierte die Antifa bereits eine große Solidaritätsdemonstration auf dem Alexanderplatz und campierte vor dem Auswärtigen Amt in Berlin. In vielen deutschen Großstädten trifft man unentwegt auf „Free Maja“ Plakate und Gehwegaufdrucke.

Die Mittäterin von Maja T, eine italienische Lehrerin namens Ilaria Salis, wurde von den italienischen Grünen auf deren Wahlliste zu den Europawahlen am 9. Juni 2024 gesetzt und in das Gremium gewählt; fünf Tage später musste sie von den ungarischen Behörden freigelassen werden. Seitdem war es nicht möglich, ihre Immunität im Europaparlament aufheben zu lassen. Von dort, mit einem stattlichen Salär ausgestattet, attackiert sie die ungarische Regierung wegen angeblicher Rechtsstaatsmängel. Es offenbart ein merkwürdiges Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und von europäischen Werten, wenn wegen schwerer Körperverletzung angeklagte Antifa-Schläger nunmehr als Abgeordnete Belehrungen über Demokratie und Menschenrechte von sich geben. Vielleicht gibt der Fall aber auch vielen zu denken, dass nicht nur die gegen Ungarn vorgebrachten Anschuldigungen hinsichtlich der Umsetzung von Rechtsstaat und Demokratie keineswegs der Wahrheit entsprechen, sondern dass dies auch andere kritisierte gesellschaftliche Entwicklungen betreffen könnte.