Das Thema „Russland und Europa“ wird auf Jahre hin das bestimmende Thema europäischer und weltweiter Sicherheitspolitik bleiben. Dementsprechend groß war das Interesse an der Diskussionsveranstaltungen im MCC Szombathely am 9. März 2023 mit ca. 60 Gästen. Moderiert von Willi Patzelt, erörterten der Historiker Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Theisen - beide derzeit Visiting Fellows am Deutsch-ungarischen Institut für europäische Zusammenarbeit des Mathias Corvinus Collegiums - die drängenden Fragen zum Krieg in der Ukraine und der Rolle Russlands in der Welt.
In seinem Einführungsreferat ging Prof. Kroll hierbei auf die historische Entwicklung Russlands hin zu Putin ein und zeigte die geschichtliche Dimension der Abkehr Russlands hin zur Europäisierung durch die Oktoberrevolution 1917 auf. Seit diesem Ereignis, so Kroll, sei von damals sowjetischem Boden außenpolitisch kaum gutes ausgegangen; Putins Aggression stünde in dieser Tradition. Die Ukraine verdiene im Freiheitskampf die Unterstützung der Europäer, die wiederum auf die USA als Unterstützungsmacht angewiesen seien.
Prof. Heinz Theisen betont auf der anderen Seite besonders seine Herangehensweise aus geopolitischer Perspektive. So sei Putin Täter, der Westen jedoch ebenso teilweise Verursacher. Die Gräueltaten Russlands verurteilend, argumentiert Theisen, dass die Geografie nicht abdingbar sei. Der Politikwissenschaftler erkennt in der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine jene Ausweitung und Überdehnung der USA, die im Irak und Afghanistan zu instabilen Verhältnissen geführt haben. Dass Russland dies ablehnt, sei zu respektieren; eine stabile Weltordnung ohne Russland würde unkontrollierte und unberechenbare Verhältnisse zur Folge haben.
In der im Anschluss an die Referate geführten Diskussion konnten die klaren Meinungsunterschiede dezidiert herausgearbeitet, aber auch gemeinsame Ansichten gefunden werden. So zum Beispiel, dass Europa für gelungene außenpolitische Selbstbehauptung eine eigene Armee bräuchte.
An die Veranstaltung schloss sich ein Empfang mit Csaba Hende, Vize-Präsident der ungarischen Nationalversammlung und ehemaliger Verteidigungsminister Ungarns, an. Der erfahrene Politiker hatte bereits in der Diskussion eine ungarische Perspektive eingebracht. So ermöglichte die Veranstaltung eine Gelegenheit zur sachlichen Meinungsbildung, und somit einen Beitrag zur wichtigsten Grundlage einer angemessenen westlichen Reaktion auf diesen Krieg: Diskurs und gegenseitig entgegengebrachtes Verständnis.