„Angela Merkel- Die kritische Bilanz von 16 Kanzlerschaft“ ist nicht nur der Titel des aktuellen Buchs von Philipp Plickert, sondern war am 28. Februar 2022 auch das zentrale Thema der Buchvorstellung und anschließenden Podiumsdiskussion mit dem deutschen Journalisten.
Vor etwa 70 Gästen sprach im Scruton Café des MCC zunächst Zoltán Szalai, der Generaldirektor des MCC, einige einleitende Worte. Schon in seiner Einführung wurde deutlich, wie wichtig es ist, die deutsche Politik zu verstehen, um die Folgen für die deutsch-ungarischen Beziehungen nachvollziehen zu können. In diesem Zusammenhang hat das MCC Plickerts Buch übersetzen lassen und im hauseigenen Verlag veröffentlicht – in Deutschland wurden mittlerweile ungefähr 30.000 Exemplare verkauft.
Philipp Plickert lebt derzeit in London und ist Wirtschaftsjournalist bei der FAZ. In seiner Vorstellung des Buches sagte er, dass es sich um ein Werk handle, das zwar über Deutschland, jedoch nicht ausschließlich aus deutscher Sicht geschrieben wurde. So findet sich in dem Sammelband auch ein Beitrag von Boris Kálnoky, der an diesem Abend als Leiter der Medienschule am MCC und erfahrener ehemaliger Welt-Journalist mit einer ungarischen Perspektive an der anschließenden Diskussion teilnahm.
Plickert stellte seiner Präsentation die Frage voran, welchen Einfluss Merkels politisches Vermächtnis auf die gegenwärtige politische Lage hat. Um die sehr lange, 16-jährige Kanzlerschaft zu rekapitulieren, schilderte er einige Eckpunkte ihrer Regierungszeit. Dabei wurde deutlich, dass die fast ununterbrochenen Krisen, auf die reagiert werden musste, entscheidend waren für die politischen Standpunkte, die Merkel vertrat. Als größte Errungenschaft der Kanzlerin nannte er die Tatsache, dass es ihr trotz allem gelungen ist, im Amt zu bleiben. Sie vertrat zwar keine eigene Ideologie, konnte sich aber behaupten, indem sie sich pragmatisch den aktuellen Umständen und vor allem dem vorherrschenden politischen Willen anpasste, so Plickert. Bei der Ausrichtung ihrer Politik ließe sie sich nicht unwesentlich von den Koalitionspartnern und konkurrierenden Parteien beeinflussen. Dadurch verlor die CDU, setzte Plickert fort, allerdings ihre konservative Ausrichtung und in der Folge immer mehr an Kontur. Dieser Linksruck würde durch schlechte Wahlergebnisse auf Bundes- und Landeseben abgestraft.
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die zusammen mit Boris Kálnoky stattfand und von Herrn Bence Bauer moderiert wurde, war aus aktuellem Anlass auch die Ukraine-Krise ein wichtiges Thema. Auf die hypothetische Frage, wie Merkel derzeit reagiert hätte, wurde betont, dass ihre Rolle nicht überschätzt werden dürfe, sich unter ihre Regierung die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr jedenfalls kaum verbessert hätte. Auch der weitere Verlauf des Gesprächs hatte die Beziehungen Deutschlands zu Ost- und Mitteleuropa zum Gegenstand. Diskussionsstoff bot dabei das Bild, das von Ungarn und Polen in Deutschland gezeichnet wird. Fraglich war zudem auch, wie sich die Beziehungen unter der neuen Regierung entwickeln würden. Darüber hinaus gehörten unter anderem die innerparteiliche Stellung der Kanzlerin und ihre Beziehung zur eigenen Partei zu den erörterten Themen der Diskussion.
Die rege Beteiligung an der anschließenden Fragerunde zeigte, dass die Diskussion und die Ausführungen Plickerts einen Nerv beim Publikum getroffen haben. Hiernach wurde der Abend bei einem Empfang im Scruton-Café fortgesetzt.