Am 14. Mai 2024 war Chaim Noll, deutsch-israelischer Journalist und Schriftsteller, zu Gast am Deutsch-Ungarischen Institut für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium (MCC). Noll setzt sich mit den heute in Deutschland vorherrschenden Strömungen des Antijudaismus auseinander und thematisierte in seinem Vortrag „Antisemitismus in Deutschland“ den Judenhass des politisch rechten und linken sowie des islamistischen Lagers. Der abendliche Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion, welcher wie üblich im Scruton Café stattfand, wurde von rund 50 Personen besucht und von Prof. Dr. Reinhard Merkel, Professor Emeritus für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, moderiert. Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium (MCC), eröffnete die Veranstaltung und hieß die Gäste willkommen. Bauer thematisierte in seinem Grußwort den besorgniserregenden Anstieg antisemitischer Straftaten der letzten Jahre in Deutschland – besonders jedoch seit dem Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas. Bauer schlug auch den Bogen zur Situation in Ungarn, welches sich immer wieder dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt sah, jedoch eine verschwindend geringe Zahl antisemitischer Straftaten aufweist und in den letzten Monaten ebenso keine antiisraelischen Proteste erlebte.
Chaim Noll eröffnete seine Rede mit einem Verweis auf den 76. Jahrestag Israels und seine eigenen Erfahrungen mit Ungarn sowie der Stadt Budapest, welche er noch als junger DDR-Bürger gesammelt hatte. Er schloss eine kurze Analyse des historisch gewachsenen Antisemitismus in Europa an. Kerngegenstand des Vortrags war jedoch nicht der historische, sondern vielmehr der „neue Antisemitismus“ – mit seinen vielen unterschiedlichen Formen im heutigen Deutschland. Bis heute setzten sich dabei in Deutschland sowohl die traditionellen linken als auch rechten antisemitischen Denkmuster und antijüdischen Narrative fort. Diese gesellschaftlichen Strömungen seien in beiden deutschen Öffentlichkeiten der Nachkriegszeit jedoch strengstens verpönt gewesen und auf einen entsprechend breiten Widerstand in der Bevölkerung gestoßen. Dennoch erstarke der Antisemitismus in Deutschland und Westeuropa in den letzten Jahrzehnten zunehmend. Dieses erneute Erstarken des Antisemitismus in Deutschland sei dabei jedoch aus einer unerwarteten und bis heute unterschätzten Richtung erfolgt. Nicht ein Wiedererstarken des traditionellen linken oder gar rechten Antisemitismus sei hier die treibende Kraft, sondern vielmehr der sogenannte „importierte Antisemitismus“, welcher mit den zahlreichen Migrationswellen aus muslimischen Ländern seinen Weg nach Deutschland und Europa gefunden habe. Die deutsche Politik, kritisierte Noll, würde sich bis heute nicht aufrichtig mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Der Niedergang des Judentums und ein Aufstieg des Antisemitismus sei dabei, laut Noll, stets ein Warnzeichen für den Rückschritt einer Gesellschaft im Allgemeinen. Eine Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland und Westeuropa hielt Noll dabei für unwahrscheinlich. Die Abwanderung und Überalterung der jüdischen Gemeinden in Deutschland zeichne ein düsteres Bild der Zukunft. Dennoch wolle Noll die Hoffnung nicht vollends aufgeben – jüdisches Leben sei widerstandsfähig und durch die Existenz des Staats Israel gebe es heute einen politischen Rettungsanker für alle Juden in der Welt.
Im Anschluss an den Vortrag Nolls folgte eine Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Merkel, welche anschließend dem Publikum geöffnet wurde.