Am 16. Juni 2025 wurde in der ungarischen Botschaft in Wien das im Dezember 2024 erschienene Buch „Ungarische Wegmarken: Beiträge zur deutsch-ungarischen Verständigung“ mit den Herausgebern des Bandes Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit und Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Professor für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Technischen Universität Chemnitz, vorgestellt. Moderiert wurde die Buchvorstellung, die von rund 100 Personen besucht wurde, von Tamás Fonay, Projektkoordinator des Instituts.
Edit Szilágyiné Bátorfi, Botschafterin von Ungarn in der Republik Österreich eröffnete die Veranstaltung und betonte ihre Bedeutung für die bilateralen Beziehungen mit den folgenden Worten: „Weltweit passiert stets viel; man wird mit vielen Meinung und Überzeugungen konfrontiert, doch wie kann man sich in einer turbulenten Welt – wie der unseren seine eigene Meinung bilden? Lediglich durch den Dialog miteinander und einer offenen Haltung für Information kann sich uns ein klares Bild über Themen ergeben.“
Nach der Laudatio des Buches eröffnete Tamás Fonay das Gespräch, mit einer Einstiegsfrage zur Motivation der Herausgeber ein solches Buch herauszugeben. Prof. Dr. Kroll antwortete, dass in Deutschland und Österreich das Bild über Ungarn oftmals verzerrt oder falsch sei. Er selbst habe erst durch eine persönliche Reise nach Ungarn verstanden, dass die mediale Berichterstattung im deutschsprachigen Raum im Bezug zu Ungarn keine gute Arbeit mache. Die Resultate daraus wären, dass er nur zu oft erleben würde, dass sich im Volksmund Geschichten über Ungarn etabliert hätten, die nur allzu oft falsch seien. Er stelle zudem entsetzt fest, dass sich oftmals die Unwissendsten am lautesten äußern würden. Kroll siehe sich in der Verantwortung das verzerrte Bild Ungarns mit seinen Mitteln und Möglichkeiten zu revidieren und Informationen, die diesem entgegenwirken, zu präsentieren.
Bence Bauer schloss sich den Worten Krolls vollumfänglich an und sieht in dem Buch ein Plädoyer dazu, sich Ungarn näher anzuschauen, um sich seine eigene Meinung über das Land zu bilden. Denn wie Herr Bauer betonte: „die gefährlichste Weltansicht, ist die von Leuten, die sich die Welt noch nie angeschaut haben.“ Ein Beispiel dazu sei nach Bauer das Deutsch-Ungarische Barometer, das jährlich in Ungarn vorgestellt werde. Laut diesem behaupteten 80% der Deutschen, dass es bedrückend sei, dass in Ungarn Minderheiten unterdrückt würden. Schlichte Unwissenheit oder Unwahrheiten, müssen eine solche gesellschaftliche Meinung über Ungarn etabliert haben, denn im Gegensatz zu den meisten europäischen Länder besäße Ungarn einen sehr breit aufgebauten gesetzlichen Minderheitenschutz. Insgesamt würden 13 Minderheiten offiziell zur autochthonen Bevölkerung gezählt werden; besonders zu erwähnen seien die Minderheiten der Sinti und Roma oder auch die der Deutschen. Zudem sei die jüdische Gemeinschaft Ungarns die Drittgrößte der Europäischen Union und es gäbe kaum antisemitische Vorfälle – nicht wie es in manch anderen Ländern wie Frankreich oder Deutschland der Fall sei.
Der Moderator wollte in einer seiner Folgefragen von den beiden Herausgebern wissen, in welchem der gewählten Buchthemen sie Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen den deutschsprachigen Ländern und Ungarn sehen würden. Der Direktor des Deutsch-Ungarischen Institut hob besonders die Erinnerungskultur als Unterschied hervor. Denn im Gegensatz zu Deutschland pflege man in Ungarn seine Historie ausführlich und sensibilisiere die Bevölkerung sowohl über die positiven als auch über die negativen Abschnitte der Vergangenheit. Ein Beispiel dafür liefere nach Bauer der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orban selbst, der bereits vor 10 Jahren den 19. Januar als Gedenktag der Vertreibung der Ungarndeutschen ausrief und so die fehlerhafte Behandlung der Ungarndeutschen durch ungarische Hände nicht in Vergessenheit geraten lasse. Zusätzlich hätte Viktor Orban persönlich um Vergebung gebeten für all das, was in dieser schrecklichen Zeit geschehen sei.
Kroll sah eine Vielzahl an Themen – beinahe alle Themen des Buches – bei dem Deutschland und Ungarn sich in ihrer Haltung und Handlung grundsätzlich voneinander unterscheiden würden. Einer dieser Unterschiede sei in der Haltung zum eigenen Heimatland; in Ungarn wäre diese mit natürlichem Patriotismus und Nationalstolz konnotiert, wohingegen in Deutschland Landesliebe weitestgehend abhandengekommen sei. Auch der deutsche Föderalismus – der historisch gewachsen sei und in Ungarn nicht existiere – bringe einige strukturelle und kulturelle Unterschiede mit sich. Nach Kroll sei Ungarn nun Mal ein anderes Land mit einer anderen Bevölkerung und einer anderen Sprache, dementsprechend könne man nicht in allem gleich sein und müsse das auch akzeptieren. Zum Schluss gab er der Zuhörerschaft einen spannenden Ausblick auf die Zukunft. Denn es gäbe eine Vielzahl von interessanten Themen, die im zweiten Band „Ungarische Wegmarken“ auf Grund von Platzmangel ausgelassen werden mussten und in einem dritten Band ihren Platz finden sollen.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion lud die ungarische Botschaft zum Stehempfang ein und öffnete den Raum für den persönlichen Austausch. Am Rande des Saals gab es frei verfügbare Exemplare des neuen Bandes „Ungarische Wegmarken“, die den Gästen ausgehändigt wurden. Schließlich kann man festhalten, dass die Buchvorstellung ein weiterer Beitrag zum bilateralen Dialog zwischen Österreich und Ungarn war, in der Hoffnung eine dauerhafte Brücke zwischen den beiden Ländern zu schlagen.