Am Dienstag, den 12. September 2023, organisierte das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit einen Exklusiv-Workshop für Führungskräfte im Hunyadi Mátyás Saal 2 des Mathias Corvinus Collegiums. Unter dem Titel „Europa auf der Suche nach einer Zukunftsstrategie“ sprach der renommierte Politikwissenschaftler und Berater mehrerer deutscher Bundeskanzler Prof. Dr. Werner Weidenfeld, der das Centrum für angewandte Politikforschung in München leitet, über die Geschichte und Notwendigkeit des europäischen strategischen Denkens. Am Vortrag und der anschließenden intensiven Diskussion nahmen 20 bedeutende Persönlichkeiten aus Deutschland, Ungarn, Österreich und den Niederlanden teil.

Nach einer Einleitung und Vorstellung durch den Direktor des Instituts Bence Bauer, sowie einer kurzen Vorstellungsrunde, begann Weidenfeld seinen Vortrag mit einigen aktuellen Schlagzeilen aus den führenden deutschen Zeitungen „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, „Das Haus Europa brennt“, „Wie kommt Europa aus der Krise“. Europa stecke in der Krise, da seien sich alle einig, so Prof. Weidenfeld, zumal sich die EU nicht nur in einer Krise, oder mehreren aufeinander folgenden, sondern in vielen gleichzeitig stattfindenden Krisen befinde, was für große Verunsicherung sorge. Um diese Periode, die von Weidenfeld als das „Zeitalter der Komplexität“ betitelt wurde, erfolgreich zu meistern, benötige es neben hard- und soft power eine neue, dritte Form der Macht: die smart power. Diese manifestiere sich vor allem in einer ausgeklügelten Strategie – derer es in der deutschen Politik zurzeit fehle.

Um eine Strategie für die Zukunft Europas skizzieren zu können, müsse man auch in die eigene Geschichte schauen. Weidenfeld sprach daher ausführlich über seine Erfahrungen als damaliger Berater der politischen Größen, so Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel, denen er als Berater zur Seite stand. Auch kam Weidenfeld auf seine Beratertätigkeit in Amerika zu sprechen, wo er wertvolle Einblicke in die Politikstile und damit die Strategien von Reagan, Clinton und Bush senior gewinnen konnte. Mit Blick auf die gegenwärtigen Herausforderungen stelle Weidenfeld fest, dass neben den strukturellen Problemen auch einige „Kulturproblematiken“ bestünden, die sich in Form eines Orientierungsdefizits und Vertrauensverlustes äußerten. Um den Handlungsspielraum der EU zu erweitern, müsse man also den Bürgern gegenüber transparenter werden. Darüber hinaus fehle es an einer Führungsstruktur sowie Strategiekultur, und über alle dem throne immer die altbekannte Frage nach der Legitimität der EU. Für anstrebende europäische Führungskräfte sei es also wichtig, ein Strategiebewusstsein zu entwickeln.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurden die Themenschwerpunkte weiter vertieft und mögliche Lösungsansätze erarbeitet. So wurde beispielsweise erörtert, ob gewisse strukturelle Entwicklungen wie der mögliche Aufbau gemeinsamer europäischer Streitkräfte erstrebenswert oder gar unvermeidlich seien.