Am Abend des 10. Februars 2022 veranstaltete das Deutsch-Ungarische Institut am MCC eine Podiumsdiskussion zum Thema „Österreichische Politik aus ungarischer Sicht“ im Scruton-Café des MCC Hauptquartiers, wo etwa 40 Zuhörer eingetroffen war. Ehrengast war Dr. Ernő Schaller-Baross, Mitglied des Europäischen Parlaments und ausgezeichneter Kenner der österreichischen politischen Landschaft.
Nach dem Grußwort von Bence Bauer hielt Schaller-Baross einen Impulsvortrag, in dem er zunächst die wesentlichen gemeinsamen geschichtlichen Erfahrungen Österreichs und Ungarns unter dem Dach der Habsburg-Monarchie umriss. Nicht nur kulturell, auch wirtschaftlich waren die beiden Reichshälften scheinbar unzertrennlich verbunden. Nach dem Zerfall der Doppelmonarchie gingen die beiden Länder zwar einen getrennten Weg, doch die politischen Erfahrungen der Zwischenkriegszeit wiesen mehrere Parallelen auf. Hiernach beschrieb er den Kampf der Österreicher für Freiheit und Unabhängigkeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg und erläuterte die politischen Verläufe bis in die jüngste Vergangenheit. Schaller-Baross hob hervor, dass nicht nur Ungarn, sondern auch Österreich Erfahrungen gemacht habe, von verschiedenen Vertretern europäischer Institutionen gleichsam für non-grata erklärt zu werden, als Bundeskanzler Schüssel eine Koalition der ÖVP mit der FPÖ etablierte.
Ungarn und Österreich wickeln miteinander anteilsmäßig ein so großes Handelsvolumen ab, wie Deutschland und Frankreich. Die beiden mitteleuropäischen Länder wurden zu wichtigen Motoren in Europa, so Schaller-Baross, teilen in vieler Hinsicht gemeinsame Visionen für den Kontinent und stimmen in wesentlichen politischen Fragen wie Sicherheitspolitik und Migration überein. Schaller-Baross ging im Folgenden näher auf die Personalia von Stefan Kurz und Karl Nehammer ein und gab auch Einblicke in den österreichischen Standpunkt hinsichtlich der Ukrainekrise.
Im Anschluss an den Vortrag stellte sich Schaller-Baross den Fragen des Moderators Bence Bauer und der Gäste. Zur Sprache kam die Popularität und mögliche politische Zukunft von Stefan Kurz, der, so Schaller-Baross, in der Basis nach wie vor sehr beliebt ist, wie auch die Eigenheiten der österreichischen politischen Kultur. Charakteristisch ist, wie in Deutschland, ein Trend der letzten Jahre weg von den dominanten Volksparteien hin zu erstarkenden anderen Parteien – wohingegen sich in Ungarn ein Zweiparteiensystem auszubilden scheint. Zugleich prognostiziert Schaller-Baross aber eine stabile Regierung unter Nehammer. Weitere Fragen thematisierten das „rote Wien“, das multikulturelle Gesicht Österreichs, das Staatsangehörigkeitsrecht des Landes sowie das gemeinsame Habsburg-Erbe mit Ungarn.