Mit der Gründung des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit initiierte die deutsche Migrationsforscherin Dr. Sandra Kostner den bislang größten und öffentlichkeitswirksamsten Zusammenschluss führender deutscher Akademiker, die sich für ein freiheitliches Wissenschaftsklima und den Schutz der im Grundgesetz verankerten Wissenschaftsfreiheit einsetzen. Am 31. Mai 2023 hielt Kostner, die Geschäftsführerin des Masterstudiengangs „Interkulturalität und Integration“ an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd ist, vor gut 50 Gästen einen Vortrag unter dem Titel „Wissenschaftsfreiheit: Sind wir auf dem Weg in den intellektuellen Lockdown?“ im Scruton V.P. in der Budapester Innenstadt.
Die Veranstaltung wurde von Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit, eröffnet. Bauer betonte die aktuelle Relevanz der Themen Wissenschaftsfreiheit, Cancel Culture, Kontaktschuld und Diskursverengung. Viele Debatten, die in Deutschland und Ungarn geführt würden, sagten viel über das jeweils andere Land aus, so Bauer. Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Visiting Fellow am Deutsch-Ungarischen Institut setzte mit der Vorstellung des Lebensweges und Wirkens von Sandra Kostner fort.
Zu Beginn ihres Vortrags erläuterte Dr. Kostner die Hintergründe des Entstehens des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit. Die Vorsitzende des Netzwerks erklärte, dass die aktuellen Probleme der Wissenschaftsfreiheit vorrangig in den akademischen Diskursen im angelsächsischen Raum wurzeln würden. Als diese Phänomene im Begriff gewesen seien, auch in Deutschland die akademischen Agenden umzuschreiben, hätten sich 25 deutsche Wissenschaftler, darunter etwa Andreas Rödder, Peter Hoeres und Susanne Schröter, mit dem Anliegen zusammengefunden, sich gegen die freiheitsfeindlichen Tendenzen der Identitätspolitik einzusetzen. Daraus sei, nachdem die Initiative von Sandra Kostner großen Zulauf bekam, im Februar 2021 schließlich das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit entstanden. Inzwischen zähle das Netzwerk über 750 Mitglieder und vereine Wissenschaftler jeglicher politischen Couleur. Diese müssten sich, so Kostner, nicht nur gegen die politisierten Diskurse rund um die Identitätspolitik, sondern auch den fast religiös anmutenden aufgeladenen Debatten um die Klimarettung stellen. Viele der Professoren, die dem ideologischen Mainstream nicht folgten, müssten aber um ihre Karriere fürchten. Finanzmittel für Universitätsprojekte fehlten oft dort, wo von der politisch korrekten Linie abgewichen werde: „Ich fürchte, wir stehen vor einer weiteren Verrentungswelle“, resümierte Kostner die Zukunft des akademischen Beschäftigungswesens. Viele neue, politisch motivierte Akademiker dürften die alten Wissenschaftler ablösen. Mission des Netzwerks sei es daher, Fälle und Mechanismen der Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit zu dokumentieren und damit Opfern der Identitätspolitik Unterstützung zu leisten.
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Dr. Alexander Grau, Philosoph und Publizist sowie Visiting Fellow am Deutsch-Ungarischen Institut, moderiert wurde, machte Kostner deutlich, dass die Wissenschaft zwar vom Zeitgeist abhängig sei. Wichtig sei jedoch, wissenschaftlich offen zu bleiben und nicht in ein ideologisches Korsett gezwängt zu werden. Wie könne man jedoch wirklich erreichen, dass die Wissenschaft von der Kirche, von der Wirtschaft und von der Politik unabhängig werde? Kostner zufolge sei die Unabhängigkeit von der Kirche kraft der Säkularisierung gelungen, im Bereich der Wirtschaft aber könne im Falle einiger Bereiche wie der Pharmaindustrie nicht grundsätzlich von freier Forschung ausgegangen werden. Auch im Hinblick auf die Politik gebe es, so Kostner, viele Beispiele, wo die Politik die Wissenschaft missbrauche, um ihre Ziele zu legitimieren, deutlich sei dies etwa während der Corona-Krise geworden.
Im Anschluss an die Veranstaltung wurden die drängenden Fragen der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit in informellem Rahmen weiterdiskutiert.
Während ihres Aufenthalts hatte Dr. Sandra Kostner im Rahmen ihres Fachprogramms die Gelegenheit den Generaldirektor des MCC, Zoltán Szalai sowie Leiter der Medienschule des MCC, Boris Kálnoky kennenzulernen. Im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung konnte sich Kostner mit den Stipendiaten, Altstipendiaten und Mitarbeitern der Stiftung austauschen, an der deutschsprachigen Andrássy Gyula Universität Budapest traf sie Prof. Dr. Ellen Bos, Leiterin der Doktorschule der Andrássy Universität Budapest (AUB), Prorektorin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der AUB. Darüber hinaus traf sich die Wissenschaftlerin auch mit wichtigen Persönlichkeiten der deutsch-ungarischen Beziehungen, darunter Imre Ritter, Abgeordneten der Ungarndeutschen und Vorsitzenden des Nationalitätenausschusses der Ungarischen Nationalversammlung, Krisztina Varju, stellv. Staatssekretärin für die Entwicklung europäischer Beziehungen im Ministerium für Auswärtiges und Außenhandel, Prof. Dr. Gergely Deli, Rektor der Nationalen Universität für Öffentlichen Dienst, Ágoston Mráz, Direktor des Nézőpont-Instituts sowie Christiane Markert, Gesandte der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn.