Sehr westdeutsch, sehr katholisch, sehr EU-freundlich und sehr ausdauernd: Armin Laschet beschäftigte sich sein ganzes Leben lang auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens mit der Politik. Er ist eine menschlich von vielen gemochte, aber in der Politik lange Zeit im Schatten auftretende Persönlichkeit, auf die jetzt die größte Herausforderung, die der Bundestagswahl wartet.

Am 20. April 2021 stimmte die CDU am Ende einer mehr als sechsstündigen Sitzung mit 78% für die Kanzlerkandidatur des CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet und damit gegen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder, was in der Folge dann auch von der CSU akzeptiert wurde. Davor hatte es in den Unionsparteien über die Kandidatenfrage heftige Auseinandersetzungen gegeben. Wer aber nun ist dieser Armin Laschet? Daher: unser Porträt über den gemeinsamen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU.

Herkunft und Sozialisation

Armin Laschet wurde am 18. Februar 1961 im westdeutschen Aachen geboren, unweit der Grenze zu Belgien und den Niederlanden. Seine Eltern gehörten der Mittelschicht an, sein Vater arbeitete jedoch als Bergmann, bevor er Schuldirektor wurde, womit er ein typischer Intellektueller der ersten Generation ist. Armin Laschets Mutter war der Zeit entsprechend Hausfrau. Die Vorfahren der Familie stammten aus einer Region, die früher zum Deutschen Reich gehörte, aber infolge des Ersten Weltkrieges seitdem den deutschsprachigen Teil in Ostbelgien bildet und sich einige Kilometer entfernt von Aachen befindet. Der mit drei Brüdern aufgewachsene Armin war schon recht früh ein engagierter Christ und beteiligte sich im Chor der römisch-katholischen Gemeinde. Hier lernte er seine spätere Frau, Susanne Malangré kennen, die er 1985 heiratete und mit der er drei Kinder hat.   

Für den ungarischen Beobachter ist diese sehr westdeutsche, die auch unter französischem Einfluss stehenden Benelux-Staaten nahe Welt immer ein bisschen ferner, als die uns in vieler Hinsicht ähnlicheren bayerischen, süddeutschen oder ostdeutschen Bundesländer. Daher ist es wichtig zu versuchen, die Gedankenwelt, die Sozialisation und die Mentalität und der dort lebenden Menschen und somit deren Einstellung zu heutigen politischen Fragen zu verstehen.

Das Aachener und das rheinische Bürgertum, unter deren Vorfahren sich nicht wenige außerhalb der Landesgrenze befinden, stehen wegen der historischen Ereignisse in viel größerem Maße Europa näher als andere Regionen Deutschlands.

Die ostbelgische deutsche Gemeinschaft ist ein Bestandteil des belgischen Staates, Deutsch ist eine Amtssprache in Belgien, die deutschsprachige Gemeinschaft verfügt über eine weitgehende Autonomie. Nachdem in dieser Region zuerst der Grenzübertritt ermöglicht worden war und die Grenzen dadurch unbedeutend geworden waren, räsonieren die dort lebenden Menschen ganz anders auf den Fragenkomplex der „ausländischen Heimat“ als zum Beispiel die entlang der ungarisch-ukrainischen Grenze Lebenden.

Das erklärt eigentlich die totale Identifizierung und das Engagement von Laschet – wie auch anderer westdeutscher Politiker– nicht nur dem Gedanken des einheitlichen Europas, sondern auch der Europäischen Union gegenüber. In diesem ideellen Umfeld, in dem es seit einem Dreivierteljahrhundert kein großes geopolitisches Neujustieren gab, bekam die gemeinsame europäische Zukunft einen großen Stellenwert. Mehrere Generationen wuchsen so auf, dass sie in ihrem Lebenslauf französische, belgische, niederländische und westdeutsche Freunde, Beziehungen und Anknüpfungspunkte haben. Folglich lässt sich verstehen, warum einige ausgehend von einer Idealität eines (Schengen-)Europas ohne erfahrbare Grenzen zu Befürwortern einer Welt ohne Grenzen werden, darunter auch Laschet, der sich für die Politik von Angela Merkel angesichts der Migrationskrise im Jahre 2015 ohne Wenn und Aber einsetzte. Aber nicht nur dieser Hintergrund, sondern auch die tiefe Religiosität kann eine Erklärung dafür geben: Die Religiosität ist es, die die Menschen in dieser Region, jenseits und diesseits der Grenzen in großem Maße verbindet. In der Aachener Region ist es die integrative Kraft des römisch-katholischen Glaubens und die der christlichen Soziallehre.

Diese Umstände haben eine entscheidende Bedeutung in der ideellen Welt der nordrhein-westfälischen CDU. Ihre Programmatik verortet sich oft in den arbeitnehmerfreundlichen, von einigen vielleicht für zentristisch befundenen Segmenten im Gegensatz zur Haltung anderer Konservativer des Wirtschaftsflügels, die sich beispielsweise in der Politik von Friedrich Merz zeigt. Greifen wir dem aber nicht so schnell vorweg, bleiben wir jetzt erstmal bei der Laufbahn von Armin Laschet.

Studium und Journalismus

Während der Jahre des Jurastudiums in München und Bonn versuchte sich Laschet als Journalist. Er fing bei einem heute auch noch beliebten bayerischen Unterhaltungssender an, später setzte er den Beruf beim öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk fort. Diesen Arbeitgeber behaltend wurde er dessen Korrespondent in der Hauptstadt, womit er wieder in seine heimische, rheinische Umgebung gelangte.

Noch in jenen Jahren begann er seine Laufbahn in der Politik in der Jugendorganisation der Partei, der Jungen Union. Parallel dazu arbeitete er bei einem der Abgeordneten des damals in Bonn tagenden Bundestags. Von hier stammt seine enge Verbindung zu Rita Süssmuth, der ehemaligen Präsidentin des Bundestags, die schon damals dem oben erwähnten sozialen Kurs folgte und bei der später der Berufsanfänger Laschet als Redenschreiber arbeitete.

Universitätsstudent, Korrespondent in der Hauptstadt, lokaler Parteifunktionär und zugleich Mitarbeiter eines Abgeordneten. Diese Formation veranschaulicht passend die Vielfalt, die Flexibilität und die Leistungsfähigkeit von Laschet. Aber einigen zufolge zeigt dies auch seine rheinische liberale Haltung, in der normalerweise die Interessen und die Loyalitäten biegsamer gehandhabt werden.

Dies lässt sich durch ein weiteres Paradebeispiel aus seiner Laufbahn untermauern: Er kommt mit 30 Jahren in die Position des Hauptredakteurs bei einem kirchlichen Verlag und behält diese Position mit kleineren Veränderungen (Herausgeber-Geschäftsführer) auch während seiner Jahre im Bundestag. Ohne ein juristisches Staatsexamen, wohl aber mit Erfahrungen in der Politik, der Publizistik und dem öffentlichen Leben wurde Laschet zu einer universell einsetzbaren Wunderwaffe, deren Ruf sich in Aachen und später in ganz Nordrhein-Westfalen (NRW) rumsprach.

Keine Flexibilität hingegen duldet der katholische Glaube: Laschet ist glaubensfest und engagiert, nicht selten hebt er die weltweite Rolle und den moralischen Einsatz der katholischen Kirche im öffentlichen Leben des heutigen Deutschlands hervor.

Lokalpolitik, Bundespolitik, Europapolitik, Landespolitik

Mit diesen wenigen Worten können die Stationen der politischen Laufbahn von Armin Laschet beschrieben werden. Dass die wichtigsten Persönlichkeiten der Bundes- oder Landespolitik ihre Laufbahn auf der Kommunalebene beginnen, ist nicht ungewöhnlich. Im Falle von Laschet ist es aber eine Besonderheit, dass er jede einzelne Stufe der Politik zurücklegte, zwischen den Stufen wechselte, die dort notwendigen Mittel auf virtuose Weise anwendete, die Verfahrensordnungen beherrschte, sich die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze und Gewohnheitsrechte aneignete. Mit 28 wurde er Ratsabgeordneter. Von dort aus führte sein Weg ohne Umwege in die Bundespolitik, wo er mit 33 Jahren den Wahlkreis seines ehemaligen Chefs erbte, wo er 1994 bei der letzten erfolgreichen Wahl des Kanzlers Helmut Kohl mit selbstsicheren 46 % siegen konnte. Interessanterweise ist in Deutschland das Doppelmandat erlaubt, so blieb Laschet bis 2004 zugleich Ratsmitglied.

Als Abgeordneter im Bundestag war er sich nicht zu fein, im gefragten italienischen Restaurant Sassella im eleganten Stadtteil Kessenich der alten Hauptstadt mit mehreren jungen CDU-Abgeordneten gemeinsam enge Beziehungen mit den zur gleichen Generation gehörenden grünen Politikern zu knüpfen, um die CDU auf eine Ӓra nach Helmut Kohl vorzubereiten. In dieser Zeit war in CDU-Kreisen jedwede Kooperation mit den Grünen absolut unvorstellbar. Diese Treffen wurden zwar polemisch als „Pizza-Connection“ bezeichnet, das aber störte die Kreise von Laschet nicht. Sie bauten bewusst Brücken, Kontakte, Bekanntschaften mit einer Truppe, deren Weltanschauung sich von ihnen in vieler Hinsicht unterschied, die aber menschlich akzeptabel war. Es ist vielsagend, dass ein Beteiligter der grünen Delegation jener Oswald Metzger war, der sich ein gutes Jahrzehnt später der CDU anschloss und heute der Berliner Korrespondent des rechtsliberalen Magazins Tichys Einblick ist. In der Gruppe waren vonseiten der CDU auch Peter Altmaier, Norbert Röttgen, Hermann Gröhe, Ronald Pofalla, Thomas Rachel und Eckart von Klaeden zugegen.

Das Prinzip, dem Nächsten als Mensch zu begegnen, gerät oft in Vergessenheit – nicht so bei Laschet. Als er in seiner Position als Minister erfuhr, dass die Mutter seiner Assistentin türkischer Abstammung eine schwere Erkrankung hatte, ging er spontan vor das Ministerium, wo die kranke Frau auf ihre Tochter wartete. Umarmend wünschte er ihr Gesundheit und gute Besserung. Die zugewanderte Frau hat diese bedeutungsvolle Szene seitdem nicht vergessen.

Letztendlich konnten auch die vor der schon erwähnten, dramatischen CDU-Sitzung wartenden Journalisten Zeugen eines ähnlichen Geschehens werden. Ein CDU-Mitglied, das während der Pandemie seinen Vater verlor, protestierte mit Plakaten vor dem Gebäude und wollte seinen Mitgliedausweis abgeben, da seines Erachtens die Verspätung der Impfung und dadurch der Tod seines Vaters der CDU-Regierung anzulasten sei. Laschet, der die entscheidende Schlacht seiner Karriere kämpfte, ging zur Pforte herunter, unterhielt sich zwanzig Minuten lang mit dem Herrn, der danach seine Entscheidung noch einmal überdenken wollte. Er war angesichts dieser Geste des Parteivorsitzenden tief bewegt. Aufgrund dieser menschlichen Eigenschaften kreierte der Biograph von Laschet die Wendung „Der Machtmenschliche“, was als eine Weiterentwicklung des Wortes „Machtmensch“ zu verstehen ist, im positiven Sinne.

„Kämpfe und Siege“

Das Motto der Biografie des ehemaligen EVP-Vorsitzenden Wilfried Martens scheint wie für Armin Laschet gegossen zu sein. Die Wahlniederlage der CDU im Jahre 1998, als Helmut Kohl die Macht nach 16 Jahren verlor, war zugleich ein persönlicher Misserfolg von Laschet. Das Mandat, das Laschet über eine Legislaturperiode innehatte, nahm ihm eine einflussreiche sozialdemokratische Kandidatin ab. So hätte sich Laschet mit 37 Jahren am raschen Ende seiner intensiven politischen Laufbahn wiedergefunden, hätte nicht gerade nach einem Monat die entscheidende Parteiversammlung stattgefunden, wo über die Kandidaten zur Wahl des Europaparlaments entschieden wurde. Dort passierte nämlich, dass Laschet, der gerade seit einigen Wochen kein politisches Mandat mehr innehatte, in der Versammlung als Kandidat des kleinsten Kreisverbandes im Bezirksverband mit einer einzigen Stimme Mehrheit auf die Wahlliste gelangte. Im Juni 1999 gewann er dann als achter auf der EP-Liste der nordrhein-westfälischen CDU das Brüsseler Mandat, das bis dahin der Onkel seiner Frau, Kurt Malangré, innehatte.

Ganz unten, dann wieder oben – das Leben von Laschet ist voller solch unerwarteter Wendepunkte.

Im Gegensatz zu anderen ist ein Misserfolg für Laschet nie das Ende, sondern die Chance für einen Neustart, ein Lern- und Verständnisprozess. Wir treffen noch auf viele solcher Misserfolge in der Laufbahn von Laschet, die unser Protagonist aber auch alle mutig meistern konnte. In dieses Bild fügt sich der Fall vom Herbst 1999 ein, als Laschet mit 88 zu 87 bei der Abstimmung für den Vorsitz der CDU in Aachen verlor. Im Jahre 2001 dann wurde der Sieger von 1999 unerwartet, ohne Gegenkandidaten geschlagen, woraufhin Laschet zu der Wahl um den leeren Platz antrat und gewinnen konntet.

„Türken-Armin“

Nach der erfolgreichen EP-Wiederwahl 2004 nahm das Leben von Laschet erneut eine unerwartete Wendung. Am 22. Mai 2005 wird Deutschland durch ein politisches Erdbeben erschüttert. Ein derart durchschlagendes Ereignis passierte, dass in der Rückschau selbst kühle und routinierte CDU-Politiker auch anderthalb Jahrzehnte später noch Gänsehaut bekommen. Überraschenderweise verlor die regierende SPD in den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen in einem solchen Ausmaße, dass das erste Mal seit 39 Jahren wieder eine bürgerliche Regierung in der Landeshauptstadt Düsseldorf an die Macht kommen konnte.

Aber nicht nur das. Der damalige Bundeskanzler, Gerhard Schröder (SPD), sah, dass wegen der Niederlage im Bundesland seine Macht landesweit ins Wanken geriet. Er wagte noch in der Wahlnacht den Sprung nach vorne und kündigte die Auflösung des Bundestags an, damit neue Bundestagswahlen stattfinden können. Das Vabanquespiel gelang allerdings nicht. Schröder verlor die vorgezogenen Bundestagswahlen, kurz darauf begann die lange Kanzlerschaft von Angela Merkel.

Inzwischen bekommt Laschet, der sich im Europaparlament durch seine ausdauernde Arbeit ziemlich schnell einen guten Ruf erarbeitete, ein nicht abzulehnendes Angebot: Er soll Integrationsminister in Düsseldorf werden, der bundesweit erste! Laschet, der bereits während seiner früheren Jahre umsichtig Verbündete um sich reihte, Berührungspunkte auslotete, zwischen abweichenden Standpunkten vermittelte, begegnete hier einer Herausforderung, an der man leicht hätte scheitern können. Er aber war fähig, sich auch hier einen guten Ruf zu erarbeiten und erfolgreich zu sein. In Nordrhein-Westfalen leben viele türkische Gastarbeiter sowie deren Nachkommen und es gibt viele soziale Brennpunkte.

Laschet meistert auch diese Aufgabe mit Bravour und erntet hierfür viel Anerkennung, besonders im türkischen Umfeld. Denken wir daran, dass es noch ein anderes Land gibt, in dem der Integrationsminister später als Regierungschef eine erfolgreiche Politik verwirklichen konnte: in Österreich, in der Person von Sebastian Kurz.

Dreifacher Sturz – und danach?  

Im Jahre 2010 stürzte die vor fünf Jahren in Gang gekommene konservative Revolution in NRW schnell, die bürgerliche Koalition verlor bei den Landtagswahlen, die Regierung von SPD und Grünen kehrte zurück, die CDU-Minister verlieren ohne Arbeit (erster Sturz). In der Opposition ist des Amt des Fraktionsvorsitzenden das Amt, bei dem man zur Geltung kommen kann. Laschet tritt bei den Wahlen hierfür mit guten Aussichten an, doch Karl-Josef Laumann, der einflussreiche Leiter des Sozialflügels der CDU, kommt ihm in die Quere. Er schlägt mit 34 zu 32 Armin Laschet, den ewigen Zweiten (zweiter Sturz).

Was macht aber Laschet, der nie aufgibt? Nach der Abdankung des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers tritt er für die Position des nordrhein-westfälischen CDU-Vorsitzenden an, ein Unterfangen, bei dem ihn die einflussreichen Mitglieder der Partei unterstützen. Es sieht so aus, dass Laschet ohne Probleme obsiegt. Hierauf spaziert aber wieder jemand ins schön geordnete, harmonische Bild hinein und verdirbt die Lage: Jetzt ist es der Bundesminister für Umwelt, Norbert Röttgen, der eine unter den Parteimitgliedern organisierte Wahl erzwingt, die er mit überzeugenden 55% gewinnt (dritter Sturz).

Jetzt ist es schon sicher, dass Laschet in der harten fünfjährigen Legislaturperiode nicht mehr zum Zuge kommt. Vielleicht nach den nächsten Wahlen. Na ja, aber was passiert bis dahin?

Laschet bleibt ein einfacher Abgeordneter und wartet geduldig auf das weitere Rinnen des Rheins.

Im März 2012 stürzt aber dann ganz unerwartet die linke Regierung wegen eines Budgetstreits. Norbert Röttgen steht bereit zur Spitzenkandidatur, er will Ministerpräsident werden, aber infolge seiner historischen CDU-Niederlage mit 26 % scheitert er nicht nur als Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten, sondern auch als Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen. Frau Merkel entließ ihn daraufhin auf einzigartige Weise sogar als Bundesminister.

Jetzt liegt Röttgen auf dem Boden. Laschet tritt wieder die Wahlen für die Position des Landesparteivorsitzende an, nun gewinnt er und wird der erste Mann des größten Landesverbands. Jetzt muss noch Karl-Josef Laumann nach oben befördert werden, was im Herbst 2013 auch gelingt, er bekommt nämlich von Angela Merkel eine Ernennung zum Staatssekretär in ihrer Regierung. So gerät der Fraktionsvorsitz in die Hände von Armin Laschet, der sich im Anschluss auf die nächste Wahl vorbereitet.

Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

Der lange Zeit verachtete Armin Laschet kämpft aber noch immer und kommt langsam aber sicher voran. Als nordrhein-westfälischer Parteivorsitzender vertritt er den größten Landesverband der CDU, als Fraktionsvorsitzender ist er der dortige Oppositionsführer und knüpft fleißig seine Kontakte. Dass ihn viele nicht ernst nehmen und ihm keine Chance gegen die populäre Hannelore Kraft (SPD) zuschreiben, interessiert ihn nicht. Er macht seine Aufgaben und erledigt die Probleme und Zweifel mit seinem sanften Lächeln. Die deutsche Sprache verwendet hierfür wegen dieser Eigenschaft von Helmut Kohl das Verb „aussitzen“, das darauf hindeutet, dass man still abwartet, bis sich das Problem von selber löst. Kraft begeht in der Kampagne 2017 mehrere Fehler, sie erweist sich als eingebildet, gelangweilt und müde, was ein ewiger Fehler ist. Die CDU und die FDP gewinnen unerwartet die Wahl, obwohl dies nur der starken Rolle der FDP zu verdanken ist, aber die Mehrheit ist haargenau vorhanden.

Der Sieg geht weit über sich selbst hinaus: Nach einigen Monaten finden die Bundestagswahlen statt und die bis dahin unaufhaltbar scheinende Kampagne des gerade noch zum sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten avancierten Martin Schulz wird durch die Niederlage in NRW gestoppt. Die SPD beginnt in den Umfragen nach unten zu stürzen und ist nicht mehr fähig, sich der CDU/CSU anzunähern. Merkel gewinnt dann auch das vierte Mal reibungslos, was teilweise Laschet zu verdanken ist.

Laschet wird damals zum Ministerpräsidenten des größten Landes von Deutschland gewählt, aber nur mit einer Stimme Mehrheit. Im NRW-Parlament gehören von 199 Abgeordneten 100 der bürgerlichen Seite an, genauso viele stimmten im Frühling 2017 für Laschet. In dieser Position ist er, nach dem Kanzler, womöglich die zweitmächtigste Person Deutschlands.

Darüber hinaus leitet er eine solche Regierung, die der jeweilige Traum der bürgerlichen Seite ist: Eine CDU-FDP-Koalition bestand schon unter Helmut Kohl, aber heute ist Laschet der einzige, der in einer solchen Konstellation regiert. An anderen Orten setzt sich die CDU praktisch mit allen zusammen, mit den Grünen, den Sozialdemokraten und auch mit den Liberalen, in Zweier- und Dreierkonstellationen, aber ganz weit weg vom Ideal der bürgerlichen Mehrheit.

CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur

Als Angela Merkel 2018 sich nicht mehr für den CDU-Vorsitz nominierte, sahen viele, dass die Zeit von Laschet kam. Laschet kennt aber die komplexe Funktionsweise der Feinmechanik der Politik. Er weiß, dass er im Schatten der noch drei Jahre lang regierenden ewigen Kanzlerin nicht zur Geltung kommen könnte und sein aufsteigender Stern schneller fallen würde als eine Sternschnuppe. Er lässt die anderen kämpfen. Nachdem es in der Person von Jens Spahn und Friedrich Merz zwei Kandidaten aus seinem Bundesland gibt, kann Laschet erreichen, dass NRW, die Abstimmung als eine Gewissensfrage betrachtend, keine Stellung nehmen soll. Annegret Kramp-Karrenbauer wird zur Bundesvorsitzenden der CDU gewählt, gerät aber nach einem Jahr schon in einen Konflikt mit Angela Merkel und tritt als Vorsitzende ab.

Der Mann der zweiten Chance – so nennen viele Laschet und er kommt in Form, kommt in Schwung und gewinnt im Januar 2021 gegen Friedrich Merz und den bereits gut bekannten Norbert Röttgen.

Die Kanzlerkandidatur ist nicht mehr weit weg, hier muss er mit dem bayerischen Ministerpräsidenten, mit dem CSU-Vorsitzenden, Markus Söder kämpfen. Im kriegerischen Kampf setzen sich für Laschet der bereits zweimal geschlagene Merz und seine prominenten Unterstützer ein, um sein korrektes und menschliches Verhalten zu honorieren. Der allseits bekannte Norbert Röttgen, dessen Unterstützer noch vor drei Monaten noch für Laschet stimmten, nimmt gegen den CDU-Parteivorsitzenden Stellung. Laschet hört sich die oft scharfe Kritik gegen seine Kandidatur mit stoischer Ruhe an.

Am Ende der dramatischen, sechsstündigen Sitzung wird mit 78% für die Kandidatur von Laschet gestimmt, trotz der zahlreichen Zweifel und seiner schlechten Umfrageergebnisse. Sie kennen aber die menschlichen und fachlichen Stärken von Laschet. Laschet ist jetzt oben angekommen. Von hier aus muss er „nur“ eine Bundestagswahl gewinnen. Nur.