Die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2023 in Deutschland
Das vergangene war ein Superwahljahr in der Bundesrepublik, denn bei Landtagswahlen in gleich vier Bundesländern konnte fast jeder dritte Deutsche auch seine Meinung über die große Politik auf Bundesebene zum Ausdruck bringen. Zum Auftakt des Wahljahres wurde am 12. Februar 2023 in Berlin die Wahl von 2021 wiederholt, die das Verfassungsgericht der Hauptstadt im November 2022 in Teilen annulliert hatte. Es handelte sich somit um keine Neuwahl, die einen Zyklus einleitet, sondern um eine Wahlwiederholung inmitten der Legislaturperiode. Dieser Wahlzyklus dauert bis 2026 an, so dass die Berliner nach den Europawahlen 2024 und den Bundestagswahlen 2025 im Jahre 2026 erneut ihr Abgeordnetenhaus wählen werden. Die wiederholten Wahlen gewann die CDU mit 28 Prozent der Stimmen. Dadurch wurde es möglich, den regierenden rot-rot-grünen Senat (eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken) abzulösen, woraufhin in der Person von Kai Wegner nun wieder die CDU den Regierenden Bürgermeister von Berlin stellt. Gewinnen konnte die CDU die Wahlen unter anderem aus dem Grund, dass Problemthemen auf die Tagesordnung gelangten, deren Bewältigung die Wähler am ehesten der CDU zutrauen. Dabei ging es um die langsame, schlechte und im Niedergang befindliche Verwaltung – für die der Wahlskandal selbst das schillerndste Zeugnis ausstellte –, die verschlechterte Sicherheitslage, aber auch wirtschaftliche und Verkehrsfragen.[1]
Im Stadtstaat Bremen wurde die Bürgerschaftswahl am 14. Mai 2023 abgehalten. Die regierenden Sozialdemokraten konnten mit 30 Prozent der Stimmen ihre Position festigen. Im Mittelpunkt der Abstimmung mit eher lokaler Relevanz standen Migration, öffentliche Sicherheit sowie Klima- und Energiefragen. Nach Schleswig-Holstein ist Bremen das zweite Bundesland, in dem die AfD nicht in den Landtag (die Bürgerschaft) einziehen konnte. Der Hintergrund ist außerordentlich banal: Infolge interner Machtkämpfe wurden im Namen der AfD zwei unterschiedliche Wahllisten eingereicht, weshalb sie nach einer Entscheidung der Wahlbehörde nicht an den Bürgerschaftswahlen teilnehmen konnte. Dafür gelangte die rechte und migrationskritische Formation Bürger in Wut (BIW) in die Bürgerschaft, die vom Ausscheiden der AfD aus dem Wahlkampf profitieren konnte. Beobachter bewerten die BIW gegenüber der AfD als moderate Kraft, die jedoch auf Bundesebene keine Ausstrahlung besitzt. Später kam es zur Verschmelzung mit dem Bündnis Deutschland, das auf Bundesebene agiert und somit eine starke Bastion in Bremen besitzt.[2]
Einen größeren Stellenwert besaßen die Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober 2023. Bei diesen Wahlen erzielte die Rechte enorme Zugewinne, die in Bayern beinahe 70 Prozent der Stimmen einsammeln konnte. In beiden Bundesländern erstarkte die AfD enorm, was sich hauptsächlich mit der vertieften Migrationskrise und den damit in enger Korrelation stehenden Themen öffentliche Sicherheit, Soziales, Wohnungsmarkt, Bildung und Finanzen erklären lässt. In Bayern gewann die regierende CSU zwar 37 Prozent der Stimmen, schnitt damit aber so schlecht ab wie zuletzt in den 1950er Jahren. Die Freien Wähler (FW) hingegen konnten 15,8 Prozent der Stimmen holen, sodass die in vielen Erhebungen erfolgreich bewertete Koalition aus CSU und FW auch weiterhin im Münchener Maximilianeum, dem Sitz des Bayerischen Landtags regieren darf. Das Ergebnis zeigt zudem, dass sich immer mehr Raum rechts von den Unionsparteien CDU/CSU bietet. Die FW füllt diese sog. „Repräsentationslücke“ rechts der politischen Mitte in Bayern allem Anschein nach mit Erfolg aus. Mit ihrem starken Abschneiden bei der Landtagswahl haben die Freien Wähler ein größeres politisches Gewicht als je zuvor erlangt. Gleichzeitig bleibt Bayern das einzige Bundesland, wo keine der Parteien der Ampel-Koalition in Berlin an der Landesregierung beteiligt ist – in allen anderen Bundesländern sind Sozialdemokraten, Grüne oder Liberale in die Landesregierungen eingebunden. Mit anderen Worten präsentiert sich Bayern als alleiniges von der „Opposition“ geführtes Bundesland. Mit dieser Einstellung politisiert zunehmend Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich auf mehr und mehr Gebieten – von der Migrationspolitik über die öffentliche Sicherheit bis hin zu Wirtschaftsbelangen – um Gegenmodelle zur linksgerichteten Bundesregierung und zu den in dieser involvierten Parteien bemüht.
Das sticht deshalb so ins Auge, weil die sog. „Konsensdemokratie“ der Bundesrepublik in der jüngeren Vergangenheit bis zur Perfektion weiterentwickelt wurde. So verschmilzt die CDU strukturell wie politisch mit jenen Parteien der Ampelkoalition, die sie eigentlich aus der Opposition heraus kritisieren müsste. Denn in zahlreichen Bundesländern regiert man gemeinsam und hat einen großen Teil der verfehlten politischen Entscheidungen (bei Energie-, Migrations- und Genderfragen) selbst zu verantworten. Mehr noch sind – mit Ausnahme des neuen Parteivorsitzenden Friedrich Merz und seines Generalsekretärs Carsten Linnemann – alle weiteren Mitglieder des CDU-Parteivorstandes Überbleibsel aus der letzten Koalitionsregierung.[3]
Dagegen spricht jedoch, dass die bei den Landtagswahlen in Hessen triumphierende CDU die dort seit 2013 als Erfolgsmodell geführte Koalition mit den Grünen aufgab. Der neue Ministerpräsident Boris Rhein – der im Jahr 2022 den Staffelstab von Merkel-Anhänger Volker Bouffier übernommen hatte – setzt andere Schwerpunkte, nachdem er die unvorteilhaften Nebenwirkungen des Regierens in einer Koalition mit den Grünen erkannte. Der wiedergewählte Ministerpräsident setzte lieber auf eine Koalition mit den Sozialdemokraten in Wiesbaden, die bei den Landtagswahlen ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten in Hessen hinnehmen mussten. Politische Beobachter hatten aufgezeigt, dass gemeinsame Koalitionen der CDU mit den Grünen bei den Bürgern – vor allem den eigenen Wählern – nicht gut ankommen, obendrein hat das Renommee der Grünen in letzter Zeit enorm gelitten. Das schlägt sich in ungemein vielen Fragen nieder: angefangen mit der heftig kritisierten Migrationspolitik über Belange des Genderns und die Energiewende bis hin zu wirtschaftlichen Fragen, – eine Mehrheit der bundesdeutschen Gesellschaft steht der Agenda der grünen Partei ablehnend gegenüber. Diese Mehrheit erwartet von den Oppositionsparteien, eine Alternative zur Politik der Bundesregierung aufzuzeigen.
Die CDU war lange Zeit Teil der Bundesregierung, doch viele meinen, für die Unionsparteien sei nun die Zeit gekommen, das Erbe von Angela Merkel hinter sich zu lassen, wobei hauptsächlich an die Umsetzung grüner Politik gedacht wird. Rhein, der von den Wählern mit 34,6 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt wurde, verfügt über ein starkes Mandat, um solche schicksalshaften Weichenstellungen vorzunehmen. Damit hat er sich den potenziellen Kanzlerkandidaten der CDU hinzugesellt, die mal mit halbem Elan (Ministerpräsident Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen), mal aus voller Überzeugung (Ministerpräsident Daniel Günther in Schleswig-Holstein) mit den Grünen koalieren wollen. Es ist nicht auszuschließen, dass Rhein in Zukunft noch höhere Positionen in der Partei erklimmen wird.
Gegen Jahresende 2023 – in der Mitte der Legislaturperiode – wurde die Lage der von Bundeskanzler Olaf Scholz geführten Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP kritisch. Laut Erhebung von ARD Deutschlandtrend waren am Jahresende 82 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Arbeit der Regierung.[4] Das sind außerordentlich schlechte Zahlen. Die drei Parteien, deren Regierung vor zwei Jahren als progressive Koalition ausgerufen wurde, wollten im Rahmen ihrer Zusammenarbeit hochtrabende Pläne verwirklichen. Dabei waren vor allem die Grünen – die 16 Jahre lang nicht in Regierungsnähe gelangt waren – besonders entschlossen, zahlreiche parteispezifische Fragen auf den Gebieten der Wirtschaft, der Migrations- und der Gesellschaftspolitik in Angriff zu nehmen. Diese Konzepte erwiesen sich jedoch nicht als populär und versagten in der Praxis. Die negativen Auswirkungen des Ukraine-Krieges und die damit einhergehende Zunahme der Energiepreise, die stockenden globalen Lieferketten und der wachsende Migrationsdruck sind nur einige unter zahlreichen Beispielen für die ausufernden Probleme des Landes. Für die deutschen Wähler erweisen sich in Zeiten multipler, europaweiter Krisen weder die grüne Wirtschafts-Transformation noch die auf die Spitze getriebene Modernisierung der Gesellschaft als attraktiv.[5]
Organisiert von der einstigen Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, die Stellung gegen die durch den Ukraine-Krieg erzeugte Energiekrise, die ausufernde Inflation, die Identitätspolitik, die Migrationskrise und die Ukraine-Politik der Bundesregierung bezog, wurde im Februar in Berlin eine Großdemonstration mit 50.000 Teilnehmern abgehalten. Das dabei ins Leben gerufene Friedensmoratorium unterzeichneten bis zum Dezember 2023 mehr als 900.000 Menschen.[6] Wagenknecht verließ später mit neun weiteren Politikern der Linken deren Fraktion und rief unter dem Namen BSW – Bündnis Sahra Wagenknecht – eine eigene politische Formation ins Leben. Ende November folgte eine weitere große Kundgebung mit tausenden Teilnehmern.[7] Die charismatische Politikerin des linken Lagers hat mit ihrer eigenen Partei einzelnen Umfragen zufolge Aussichten auf bis zu 12 Prozent der Stimmen.[8]
In Deutschland sorgte für großes Aufsehen, dass nach den Attacken der Hamas vom 7. Oktober Massen – in der Mehrheit mit Migrationshintergrund – auf den Straßen von Berlin und anderen deutschen Großstädten erschienen und bei ihren Aufmärschen israelfeindliche und antisemitische Losungen skandierten. Diese Menschen verbrannten, während sie den Hamas-Terror hochleben ließen, Israel-Fahnen und feierten die Mordtaten der Hamas, indem sie Süßigkeiten verteilten. Bundesdeutsche Juristen verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit, dass Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft gemäß Aufenthaltsgesetz des Landes verwiesen werden können, wenn sie sich beispielsweise der Unterstützung von Terrorismus schuldig machen.[9] Tatsächlich gibt es dafür jedoch auch seither kaum Fälle in der Rechtspraxis. Bestraft werden kann ebenfalls, wer nach dem Deutschen Strafgesetzbuch als verfassungsfeindlich eingestufte Organisationen unterstützt oder Fahnen anderer Staaten verbrennt. Strafbar sind ebenfalls die Hetze gegen andere Volksgruppen sowie das Billigen und Belohnen schwerwiegender Verbrechen.[10] Strafprozesse dieser Art wurden aber nicht eingeleitet, obgleich für die deutsche Gesellschaft offenkundig wurde, dass die muslimischen Migranten nicht nur ein archaisches Gesellschaftsbild verbreiten, sondern zudem einen gewalttätigen Antisemitismus, wie dies auch in anderen westeuropäischen Ländern zu beobachten ist. Die im Zuge der Migrationskrise in Deutschland eingetroffenen Massen haben eine Lage heraufbeschworen, in der sich die jüdischen Menschen in Deutschland immer weniger in Sicherheit wiegen können – und immer mehr von ihnen erwägen, nach Israel auszuwandern.
Die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik Deutschland überstieg im Jahre 2023 erstmals 84 Millionen Menschen. Der enorme Bevölkerungszuwachs ist eindeutig auf die Migration zurückzuführen: Seit 2015 haben sich mehr als 3 Millionen Migranten dauerhaft in Deutschland niedergelassen, die ukrainischen Flüchtlinge nicht mitgerechnet. Unter der deutschen Urbevölkerung ist ein entgegengesetzter Wanderungssaldo zu beobachten: Diese Bevölkerungsgruppe wandert in größerer Zahl aus; deutsche Aussiedler sind mittlerweile auch in Ungarn in großer Zahl anzutreffen. Nach Angaben des Statistikamtes KSH lebten in Ungarn 2023 dauerhaft bereits 22.310 deutsche Staatsbürger.[11] Als Gründe für die Auswanderung geben diese hohe Immobilienpreise in Deutschland, eine verschlechterte Lage bei der öffentlichen Sicherheit sowie die unkontrollierte Zuwanderung an.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der von Auswanderern genannt wird, sind die hohen Energiepreise. Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden in vielen europäischen Ländern die Importe russischer Energieträger eingestellt. So versucht auch Deutschland, seine Energieversorgung mit weitaus teureren Importen aus den USA und Norwegen sicherzustellen, was die Preise in die Höhe treibt. Parallel wirken neben dem Ukraine-Krieg noch zahlreiche weitere Faktoren auf die Teuerung. Als einer der wichtigsten Faktoren ist hier die endgültige Abschaltung der letzten Kernkraftwerke zum 15. April 2023 zu nennen. Diese Anlagen, die aufgrund einer früheren Entscheidung der Regierung Merkel geschlossen werden mussten, steuerten ursprünglich 10–18 Prozent, zuletzt noch 5 Prozent zum Energiemix bei.[12] Die Kernkraft gehörte zu allen Zeiten zu den von den Grünen radikal abgelehnten Technologien. Die AKW-Stilllegung ist organisch mit der Ideologie der Grünen verbunden, was diese auch unter dem Eindruck der Energiekrise nicht überdenken wollten. Sie brauchten sich einfach nur zurückzulehnen und abzuwarten, bis die Termine für die Abschaltung der Kraftwerksanlagen herannahten. Heute verzeichnen wir in Deutschland die höchsten Energiepreise innerhalb Europas.
Neben zahlreichen weiteren Folgen der Migrationskrise erweist sich durch sie die Lage am Wohnungsmarkt insbesondere in den größeren Städten zunehmend als kritisch. Die Bundesregierung glaubte die Lage mit dem geplanten Bau von 400.000 Wohnungen im Jahr unter Kontrolle zu halten, in Wirklichkeit wurde aber kaum die Hälfte der Zielvorgabe erreicht.[13] In den Großstädten sind Wohnimmobilien mittlerweile so teuer, dass diese mitunter nicht einmal mehr für Haushalte mit höheren Einkommen erschwinglich sind – die Hälfte der Bevölkerung lebt zur Miete.
In ganz Europa produzierte Deutschland im Jahre 2023 beinahe die schlechtesten Konjunkturdaten. Am Jahresende wurde eine leichte Rezession zur Realität. Das hat zahlreiche globale Ursachen, aber in diesem Prozess spielen neben strukturellen Problemen der deutschen Wirtschaft auch die ideologisch motivierten und wirtschaftsfeindlichen Maßnahmen der Bundesregierung eine Rolle, zu denen die hohen Steuern und eine überhandgreifende Bürokratie zählen. Arbeitskräftemangel und gestörte Lieferketten infolge der Coronapandemie sind auch anderswo bekannte Herausforderungen, die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft drücken der Wettbewerbsfähigkeit des Landes jedoch ausgesprochen stark ihren Stempel auf. So wurde der Abstieg der legendären deutschen Automobilindustrie noch durch die versäumten oder verspäteten Reaktionen auf die neuen Trends beschleunigt. Der ins Stocken geratene Digitalisierungsprozess, ein langsames Internet und eine Infrastruktur im kritischen Zustand verweisen auf seit langen Jahren aufgeschobene Probleme, die sich bereits unter früheren Merkel-Regierungen entfalteten. Seit der Coronapandemie werden ohnehin schwerfällig getroffene Entscheidungen noch langsamer bewältigt, wurde das Vorkrisenniveau auf Volkswirtschaftsebene erst relativ spät wieder erreicht und es arbeiten bis zum heutigen Tage zahlreiche Beamte und Akademiker auch weiterhin von zuhause aus. Das aber steht für eine Erscheinung, die diese Gesellschaft seit dem Beginn der Migrations- und der Energiekrise zunehmend spaltet: Die Mittelschicht und die Beschäftigten in bequemeren Arbeitsverhältnissen mit höherer Vergütung sind durch die multiplen Krisen kaum berührt, während die Pandemie, die eskalierenden Energiepreise und die Migrationspolitik vielen Bürgern mit niedrigen Einkommen ernsthafte Existenzsorgen bereiten.
All das wird noch durch die ideologiegetriebene Wirtschaftspolitik eines von den Grünen besetzten Wirtschaftsministeriums und der gesamten Regierung „abgerundet“. Diese Haltung schlägt sich etwa im Verbot der Exportgenehmigung für relevante Siemens-Bauteile nieder, die zur Erweiterung des AKW Paks benötigt werden, wie auch bei der Abschaltung der eigenen Kernkraftwerke. Oder bei Maßnahmen, die den Alltag spürbar negativ beeinflussen, wie mit der verbindlichen Vorgabe von Wärmepumpen für sämtliche Neubauwohnungen. Auf die Spitze getrieben wird diese Politik mit einer markanten Anhebung der finanziellen Absicherung von Erwerbslosen über das sogenannte Bürgergeld. Hier geht es um die Umsetzung des Konzepts des bedingungslosen Grundeinkommens, indem die hohen Familienzuschüsse mit für jedermann erreichbaren staatlichen Geldern kombiniert werden. Experten gehen davon aus, dass diese Geldverteilungsmaschine die Pull-Faktoren der Migration weiter verstärken wird. Es gibt auch erste Kalkulationen, die zeigen, dass sich arbeiten immer weniger lohnt, denn netto verbleibt für Geringverdiener schon heute weniger als für Bezieher des Bürgergelds, da der Staat bei Letzteren etwa auch die Miete und Energierechnungen übernimmt.[14]
Unter den sozialen Belangen besitzen die durch die Migrationsströme verursachten Faktoren in den Bereichen Soziales, Wohnungsmarkt, Bildung, Gesundheitswesen und öffentliche Sicherheit eine besondere Relevanz. Laut der Ende 2023 veröffentlichten internationalen PISA-Erhebung von 2022 schneiden die deutschen Schüler, die sich schon bislang nicht mit Ruhm bekleckerten, zunehmend schlechter ab.[15] Wenngleich ein Eindämmen der unkontrollierten Zuwanderung im Vokabular des Bundeskanzlers mittlerweile Einzug gehalten hat,[16] haben die politischen Entscheidungsträger bislang doch keine entsprechenden Schritte eingeleitet – ganz im Gegenteil. Das Bürgergeld sorgt ähnlich wie das neue, liberalisierte Staatsbürgerschaftsgesetz und die Politik der offenen Grenzen für weiter wachsende Migrationszahlen. Besagtes Staatsbürgerschaftsgesetz will den „Neubürgern“ nach fünf, in Einzelfällen aber sogar bereits nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft gewähren.[17] Da heute in Deutschland 12 Millionen Migranten leben, kann deren Mehrheit auf diese Weise schnell an die deutsche Staatsbürgerschaft gelangen.
Die Gesellschaftspolitik dieser Regierung folgt kritiklos den großen identitätspolitischen Trends der internationalen Linken. Neben zahllosen Maßnahmen, mit denen die Migration beflügelt wird, wurde auch das Gendern in den Vordergrund gerückt. Noch im August reichte die Regierung ihr sog. Selbstbestimmungsgesetz ein, das Kindern ab 14 Jahren die Veränderung des Geschlechtseintrags selbst gegen den Willen der Eltern erlaubt.[18] Auf zahlreichen Gebieten tobt ein Kulturkampf zwischen den Anhängern und den Gegnern von Gendertheorie und Gendersprache, wobei eine Mehrheit der Deutschen die Verwendung einer aufgezwungenen Gendersprache ablehnt.[19] Was die Abtreibungen betrifft, wurde das bislang gültige Werbeverbot aufgehoben; obendrein geben Regierungspolitiker gerne Erklärungen von sich, wonach die vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen Realität werden dürfte.[20] Ein weiteres wichtiges Projekt ist die Liberalisierung leichter Drogen, in welcher Hinsicht völlige Einigkeit bei den Ampelkoalitionären herrscht. Mit dem 1. April 2024 wurde der Besitz von bis zu 50 Gramm Marihuana pro Monat für den Eigenbedarf offiziell zugelassen.
Wichtigere anstehende Entwicklungen in Wirtschaft und Innenpolitik
Aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichts vom November dürfen Mittel, die nach der Corona-Krise zur Wiederbelebung der Wirtschaft dienen sollten, nicht in den Fonds für Klimaschutz umgeschichtet werden. Mit diesem Urteil ist die für diese Zwecke geplante Umwidmung von 60 Milliarden Euro gescheitert. Gleichzeitig entstand ein riesiges Haushaltsloch von 17 Milliarden Euro. Die FDP fordert bereits, die 2025 geplante Anhebung des Bürgergelds[21] – das im Haushaltsplan 2024 mit 38,7 Milliarden Euro angesetzt ist[22] – aufzuschieben, zumal diese durch fünf Millionen Menschen in Anspruch genommenen Sozialleistungen schneller als die Löhne steigen sollen, was dem Bundeshaushalt enorme Lasten aufbürdet. Die Streitigkeiten um strenge Haushaltsdisziplin und Schuldenbremse dürften die bürgerlich-liberale FDP politisch noch weiter von ihren Koalitionspartnern entfernen, was im Extremfall sogar zur Aufkündigung des Regierungsbündnisses führen könnte.
Die ursprünglich mitte-rechts angesiedelte Partei hat für ihre Teilnahme an der linksgerichteten Regierung einen hohen Preis gezahlt und besitzt heute kaum noch eine gemeinsame Plattform mit den Grünen oder den Roten. In Berlin und Bayern scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. Auf Bundesebene bewegt sie sich in Umfragen zwischen 4 und 6 Prozent und damit ungefähr bei der Hälfte des 2021 erzielten Wahlergebnisses, als 11,5 Prozent der Wähler für die FDP stimmten. Beobachter sehen es als eine reine Frage der Zeit an, wann der anhaltende Koalitionsstreit, schlechte Wahlergebnisse und die schlechter werdenden öffentlichen Verhältnisse die FDP dazu bringen, die Ampelkoalition zu verlassen.
Im Jahre 2024 erlebt Deutschland abgesehen von den Wahlen zum Europaparlament drei wichtige Landtagswahlen. Im September werden Wahlen zu den Parlamenten der Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Thüringen abgehalten. Die AfD liegt bei den Umfragen überall vorne, mit Prognosen um 32–34 Prozent. Die ungelöste Migrationskrise sowie fehlerhafte Maßnahmen der Regierung als Antwort auf Corona-Krise, Energiekrise und den Krieg in der Ukraine haben in jedem Fall Wasser auf die Mühlen der AfD gegossen. Derzeit befindet sich die Partei in einer Art politischen Quarantäne, da sie nirgendwo Einfluss auf Amtsgeschäfte nehmen kann, mit Ausnahme eines Bürgermeisteramtes und eines Landrates.
Die übrigen Parteien halten die AfD von allen mit Einfluss bzw. mit dem Erhalt öffentlicher Mittel einhergehenden Positionen fern. So kann sie zum Beispiel keinen Vizepräsidenten im Bundestag stellen, weil die Kandidaten regelmäßig scheitern, und auch die politische Parteistiftung gelangt seit Jahren an keine staatlichen Zuwendungen. Nachdem das Verfassungsgericht den intransparenten Finanzierungsmechanismus der Stiftungen beanstandete und entsprechende Rechtsnormen forderte, verabschiedeten die übrigen Parteien ein Gesetz, das aussagt: Parteistiftungen erhalten erst dann eine staatliche Finanzierung, wenn die Partei drei Mal in Folge in den Bundestag einziehen konnte. Früher galten zwei Zyklen als Klausel, doch danach hätte der AfD Geld zugestanden, so dass die anderen Parteien schlicht und einfach ein die AfD ausschließendes Gesetz formulierten.
Damit aber wurde diese Partei noch in ihrer Rolle als politischer Märtyrer gestärkt, was ihrer Popularität nur zugutekommen dürfte. Bei den Europawahlen könnte die AfD auf Bundesebene zur Nummer 1 des politischen Wettstreits in Deutschland aufsteigen. Laut einer Erhebung vom Sommer trennten die AfD nur noch ganze drei Prozentpunkte von CDU/CSU, mit dem Potenzial, auch diese noch zu überholen. Bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl halten CDU/CSU stabil den 1. Platz mit rund 30 Prozent der Stimmen, gefolgt von der AfD mit 21–23 Prozent, während die drei Partner der Ampelkoalition zusammengenommen kaum noch 35 Prozent erreichen. Als Meilenstein der Wahlen im Jahre 2024 wird vorgegeben, wie die übrigen Parteien die AfD in die politische Entscheidungsfindung einbeziehen können. Diese Frage wird die CDU beantworten müssen, deren Wähler eine Alternative des bürgerlichen Lagers zur jetzigen Regierung erwarten.
Außen- und Sicherheitspolitik
Deutschland ist weiterhin ein entschlossener Anhänger der Europäischen Union und ihrer Institutionen. Konzepte, mit denen die EU vornehmlich auf französisch-deutsche Initiativen hin reformiert werden soll, handeln von einer Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen. Was die Ausweitung des Schengenraums betrifft, legt Deutschland eine positive Haltung zur Teilnahme Rumäniens und Bulgariens an den Tag. In Sachen Ukraine-Krieg folgt der politische Mainstream Deutschlands der bisherigen Politik, die Ukraine zu unterstützen und nach Möglichkeit jede ukrainische Bitte zu erfüllen. Wenn es etwa bei den Waffenlieferungen aus anderen Gründen zu Verzögerungen kommt, wirkt es beinahe so, als würde sich die politische Führung Deutschlands dafür entschuldigen.1 Was die Milit