Der Kinderschutz steht zurzeit im Fokus der ungarischen Öffentlichkeit. Nachdem die ungarische Staatspräsidentin einen Mann begnadigt hatte, der wegen versuchter Nötigung von minderjährigen Opfern eines Missbrauchsfalles sowie versuchter Strafvereitelung verurteilt worden war, trat sie im Februar unter massivem politischem Druck zurück. Die Aufregung war groß, gilt doch der Kinderschutz als ein Kernbereich konservativer Politik der Regierungsparteien. Jetzt wird dieser weiter verschärft.
Massiver Ausbau der Maßnahmen für Kinderschutz
Für die seit 2010 amtierende konservative Regierung stehen insbesondere Familien- und Geburtenpolitik sowie Kinderschutz im Mittelpunkt ihrer politischen Überzeugungen. Den umfangreichen Maßnahmen zur Förderung von Familien steht eine lange Liste zum Schutz der Kinder zur Seite. Der Kinderschutz- und Sozialbereich verfügt mit heute vier Mrd. Euro über viermal so viele Mittel wie noch 2010. So bekommen Pflegeeltern vom Staat seit zehn Jahren ein volles Gehalt, sie können zudem Elternzeit nutzen. Die international am weitesten beachtete Neuerung war das Kinderschutzgesetz von 2021, das Kinder vor der sogenannten Genderideologie schützen sollte. Demnach darf nur dazu befähigtes Lehrpersonal die Sexualaufklärung vornehmen und nicht Genderorganisationen. Damit hat Ungarn europaweit eine der rigidesten Kinderschutzregelungen und wurde dafür von der Europäischen Union kritisiert. Ungarn gilt als familien- und kinderfreundliches Land. In der Ablehnung von Kindesmissbrauch besteht eine große gesellschaftliche Einigkeit, auch daher sorgte die umstrittene Begnadigung für große Empörung. Die linke Opposition organisierte Demonstrationen für den Kinderschutz, obgleich sie das Kinderschutzgesetz ablehnte.
Aktuelle Gesetzesnovelle
Für die konservativen Regierungsparteien schien es geboten, auf diese gesellschaftlichen Bedürfnisse durch politische Entscheidungen zu reagieren: Nach dem Ende April eingereichten Gesetzespaket sollen insgesamt 22 Gesetze modifiziert werden, um den Schutz der Kinder weiter auszubauen. Es sollen zukünftig nicht nur schärfere Strafen für pädophile Handlungen verhängt werden, sondern auch die von ungarischen Staatsbürgern im Ausland verübten entsprechenden Straftaten in das ungarische Pädophilenregister aufgenommen werden. Zudem sollen Sexualstraftaten nicht mehr verjähren können und bleiben lebenslang im polizeilichen Führungszeugnis. Sexualstraftäter sollen nicht mehr die Vorzüge des offenen häuslichen Vollzugs genießen dürfen und auch nicht mehr unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt werden können. Angehörigen von sich mit Kindern beschäftigenden Berufen droht eine zweijährige Haftstrafe, sollten sie es unterlassen, eventuelle Gefährdungslagen von Kindern zu melden. Die Eignungsprüfungen für die im Bereich des Kinderschutzes Arbeitenden sollen verschärft werden. Schließlich soll Eltern die Möglichkeit eingeräumt werden, ihren Kindern gefilterte Internetdienstleistungen zur Verfügung zu stellen, bei denen kein Zugriff auf strafbewährte oder kindergefährdende Inhalte mehr möglich sind. Der Fraktionssprecher der mit der Fidesz-Partei regierenden Christdemokraten forderte die linke Opposition auf, der Novelle zuzustimmen und Farbe zu bekennen: „Auf Worte müssen Taten folgen!“ In einer Novelle der den Einzelhandel regelnden Verordnung Nr. 210 aus dem Jahre 2009 wird nun auch geregelt, dass Minderjährige vor dem Anblick von Spielzeugen oder anderen Produkten, die Sexualität als Selbstzweck, vulgär oder unmittelbar darstellen wie auch vor Spielzeug oder anderen Produkten, die zu großen Teilen oder offensichtlich ein vom Geburtsgeschlecht abweichendes Geschlecht, die Geschlechtsveränderung oder die Homosexualität darstellen, geschützt werden müssen. Im Klartext bedeutet dies, dass diese weder im Schaufenster, noch im Verkaufsraum offen dargeboten werden dürfen, diese sind mit einer geschlossenen Verpackung zu versehen. Innerhalb von 200 Metern von Bildungseinrichtungen oder Institutionen des Kinder- oder Jugendschutzes oder aber von kirchlichen und religiösen Einrichtungen dürften solche Spielzeuge oder Produkte nicht vertrieben werden.