Dr. Klaus-Rüdiger Mai, Gastprofessor des Deutsch-Ungarischen Institutes, hielt am 25. April 2022 einen Vortrag im Scruton Café in der Innenstadt vor rund 50 Personen. Der Titel des Vortrages lautete: Deutschland im Umbruch: Geselllschaft, Kultur, Politik.
Der Historiker und Publizist betonte in seiner Einführung, dass in der Welt gerade ein Paradigmenwechsel stattfindet. Die Finanz- und Schuldenkrise, die Migrationskrise, die Überbevölkerung, der Klimawandel sowie der in der Ukraine laufende Krieg verdeutlichen, dass sich die Welt gerade in einem Epochenumbruch befindet, der in seinen Auswirkungen allenfalls mit dem Übergang von der Spätantike zum Mittelalter und vom Spätmittelalter zur Neuzeit vergleichbar ist. Dieser Paradigmenwechsel wird von den verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen bewusst oder unbewusst reflektiert. Der Paradigmenwechsel zwingt die Gesellschaft durch die Veränderung der Wirklichkeit, des Status quos, neue Konzepte und Zielvorstellungen zu entwickeln. In den aktuellen Transformationen spielen der Begriff Spätkapitalismus und das Konzept Krise zentrale Rollen. Das Konzept für den Gesellschaftsumbau, nach dem die deutschen im wesentlichen linksliberalen Eliten handeln, stammt ursprünglich von dem ungarischen Wirtschaftstheoretiker Karl Polanyi und heißt „Große Transformation.“ Das Spektrum der Vorstellungen, die sich mit dem Begriff der Großen Transformation verbinden, ist breit, es reicht von der „Reform“ des Kapitalismus bis zu seiner Abschaffung und wird grundsätzlich von der deutschen linksliberalen Elite verfolgt. Dr. Mai hob hervor, wie die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2020 in Davos für den Gesellschaftsumbau mit den Worten warb: „Aber, meine Damen und Herren, das sind natürlich Transformationen von gigantischem, historischem Ausmaß. Diese Transformation bedeutet im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen – die ersten Schritte sind wir schon gegangen – und zu völlig neuen Wertschöpfungsformen zu kommen.“ Mai betonte, dass die gegenwärtige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums, seitdem ebenfalls den Begriff von Polányi benutzen.
Dem Historiker zufolge wird dadurch deutlich, dass die „Große Transformation” in der Tat das wirkmächtigste Schlagwort unserer Zeit ist, aus dem sich Nachhaltigkeit, Systemveränderung, klimaneutrale Gesellschaft und klimaneutraler Wohlstand, sowie Gemeinwohl und Gemeinwohlwirtschaft ergeben. Er führte im Folgenden aus, dass sich diese große Transformation auf die folgenden Bereiche auswirkt: Ökonomie, Geschichte, Politik, Gesellschaft, Soziologie.
Es ist jedoch zu bedenken, dass diese Veränderungen eine Reihe von Fragen für die politischen Akteure aufwerfen. Dr. Mai stellte die im Koalitionsvertrag ausdefinierten utopischen Pläne der derzeitigen Bundesregierung (SPD-FDP-Grüne) den konkreten Maßnahmen gegenüber, die in der aktuellen Situation von Krieg und Wirtschaftskrise tatsächlich ergriffen wurden.
Die Präsentation wurde mit einer Diskussion über eine Reihe von Fragen aus dem Publikum und einem anschließenden Stehempfang abgeschlossen.