Wenn ein Autor ankündigt, ein Buch vorstellen zu wollen, das von der Welt des Drogenkonsums, perfider Mordanschläge, obskurer Kulte, mysteriöser Staatsaffären, brutaler Bandenkämpfe und bizarrer Obsessionen handelt, so werden wohl die Wenigsten dabei an ein Buch über das antike Rom denken. Sehr zu Unrecht, so Prof. Dr. Michael Sommer, Professor für Alte Geschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und derzeit Visiting Fellow des Deutsch-Ungarischen Institutes am MCC: „Die Römer waren nicht so schrecklich anders als wir.“. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Tamás Fonay, Projektkoordinator des Instituts.

„Buchpräsentation“ trifft es eigentlich nicht ganz - vielmehr war es eine Büchervorstelllung, die da stattfand: Denn Prof. Sommer hatte gleich zwei seiner neueren Bände mitgebracht: Schwarze Tage. Roms Kriege gegen Karthago und Dark Rome. Das geheime Leben der Römer. Mit diesen Büchern, beide entstanden während der Corona-Pandemie, wolle er bewusst ein Publikum ansprechen, das „außerhalb von Asterix noch nie mit dem alten Rom in Berührung gekommen ist“.

So legt Sommer in ersterem Buch zwar eine detaillierte Gesamtdarstellung der punischen Kriege vor, die mit dem Ausbruch des Ersten Punischen Krieges im Jahr 264 v. Chr. begann und mit der Zerstörung Karthagos endete, legt aber auch bewusst den Fokus auf heute: Denn diese Punischen Kriege zu verstehen sei weiterhin hochaktuell, schließlich ließe sich daraus extrem viel über Politik lernen. Schon Machiavelli rezipierte die Punischen Kriege dahingehend in Il Principe.

Der zweite Band mit dem Titel Dark Rome. Das geheime Leben der Römer bietet einen Einblick in eine schrille, bedrohliche und verstörend vertraute Lebenswelt der antiken Römer. Professor Sommer führt in diesem Buch in eine für viele sicherlich ungewohnte Seite der römischen Gesellschaft ein und präsentiert skrupellose Politiker, in allen Künsten bewanderte Prostituierte, nervenstarke Geheimagenten, geniale Waffenkonstrukteure und kaltblütige Giftmischerinnen.

Aus diesem Buch las Prof. Sommer ein Kapitel über die Entstehung und das Scheitern der Pisonischen Verschwörung gegen Nero. Er stellt vor allem die menschliche Komponente in den persönlichen Empfindlichkeiten der einzelnen Akteure dar. In seinem Text gelingt es Sommer, Geschichtsbuchwissen so lebendig darzustellen, dass sich der Prüfungsstoff einer Lateinprüfung tatsächlich nach dem anhört, was es eigentlich auch wirklich war - nämlich ein Krimi. 

Unter der Moderation von Else Jung, Mitarbeiterin am DUI, konnte in der Podiumsdiskussion noch auf weitere spannende Felder römischen Lebens eingegangen werden - so zum Beispiel auf den römische Umgang mit Sexualität. So habe sich das Sexualleben der römischen Oberschicht hauptsächlich auf legitime Reproduktion konzentriert. Während römische Frauen unter dem Motto der pudicitia (Schamhaftigkeit) aufwuchsen, waren junge Männer zwischen Mannwerdung und dem Eintritt in den cursus honorum durchaus aktiv. Die Unterschicht hielt dahingehend allgemein und in jedem Alter so wie junge oberschichtige Männer. Die weiteren besprochenen und diskutierten Themen erinnerten gleichsam an die Schauplätze eine gute Gangster-Serie: Drogen, Massenmorde und geheime Verbindungen. Dass es in der römischen Republik einen Giftmischerinnen Ring gab, der organisiert kriminell über Jahre junger Männer getötet hat, dürfte auch den meisten der circa vierzig Zuhören unbekannt gewesen sein.

Das römische Imperium, welches für knapp tausend Jahre die westliche Welt bis heute so sehr prägte, war ein - ja, was war es eigentlich? Der antike Geschichtsschreiber Polybios (ca. 200 v. Chr. bis ca. 120 v. Chr.) beschrieb die römische politeia als weder monarchisch noch aristokratisch noch demokratisch. Was war dieses Rom eigentlich genau? Auch dieser Frage wurde in der Diskussion nachgegangen. Prof. Sommer argumentierte, dass es zwar in Rom Eckpfeiler staatlicher Ordnung nicht gegeben hätte, aber es wohl kaum zu großem Chaos geführt haben kann - schließlich hätte sonst Rom nicht über 700 Jahre den Mittelmeerraum beherrschen können. Vielmehr habe es einen großen sozialen Zusammenhalt gegeben.

So schlossen sich viele spannende Einzelgeschichten zum großen, für den Laien womöglich immer noch - das liegt in der Natur der Sache - löchrigen, Bild zusammen. Und dennoch: Dass Rom wesentlich aufregender war als alte Senatoren, die in weißen Togen über das Forum Romanum, an den Basiliken vorbei, zu Kurie flanierten, konnte Prof. Sommer in eindrücklicher Art und Weise dem Publikum verständlich machen.