Prof. Dr. Torsten Oppelland, Professor für Politikwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, war zwischen dem 25. und 27. März Gast des Deutsch-Ungarischen Instituts am Mathias Corvinus Collegium (MCC). Im Laufe seines Aufenthalts hielt der deutsche Politikwissenschaftler und Zeithistoriker am 26. März 2024 einen Vortrag zum Thema „Regieren ohne Mehrheit – Sind Minderheitsregierungen die Zukunft Europas?“ am Győrer Bildungszentrum des Mathias Corvinus Collegiums.
Am Beispiel des Freistaats Thüringen beleuchtete Professor Oppelland in seinem Vortrag einen sowohl für Deutschland als auch Europa besonderen Fall der Regierungsbildung. Im Bundesstaat Thüringen regiert die sozialistische Linkspartei mit einer Koalition aus SPD und Grünen, jedoch ohne über eine Mehrheit im Parlament zu verfügen und noch dazu ohne einen festen Tolerierungspartner. Wie Oppelland erklärte, ist das Interessante am Fall Thüringen, dass eine Minderheitsregierung ohne festen Tolerierungspartner eine ganze Legislaturperiode durch Bestand hatte. Des Weiteren analysierte Oppelland die ungewöhnlichen Entstehungsumstände der rot-rot-grünen Minderheitsregierung sowie die drei verschiedenen möglichen Formen einer Minderheitsregierung – welche es alle drei in der letzten thüringischen Legislaturperiode gab. Zu nennen sind hier geschäftsführende (Übergangs-)Regierung, welche nach dem Verlust der parlamentarischen Mehrheit die Regierungsgeschäfte bis zum Entstehen der neuen Regierungskoalition kommissarisch fortführt, eine Minderheitsregierung mit einem festen Tolerierungspartner, welcher jedoch aus bestimmten politischen Gründen oder Überlegungen nicht in der Koalition vertreten sein möchte oder darf, sowie eine „echte“ Minderheitsregierung, welche über keinen festen Koalitionspartner verfügt und stets mit wechselnden Mehrheiten arbeiten und für die Unterstützung der eigenen Politik und Gesetzesinitiativen werben muss. Zum Ende seines Vortrags sprach er zudem über die kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg und stellte die Frage, wie im Osten Deutschlands noch weiterregiert werden kann, wenn neben der CDU nur noch die sozialistische Linkspartei und die rechtsradikale AfD im Parlament sitzen sollten. Erschwerend kommt hinzu, dass die CDU bezüglich beider Parteien einen „Unvereinbarkeitsbeschluss“ verabschiedet hat, welcher eine Zusammenarbeit grundsätzlich ausschließt.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Professor Kroll und dem Publikum erörterte Oppelland zahlreiche Fragen der aktuellen deutschen Politik und der deutsch-ungarischen Beziehungen. Ferner sprach er über seine persönlichen Eindrücke von Ungarn, Budapest und Győr. Im Rahmen seines Programms in Budapest traf Torsten Oppelland Emmerich Ritter, den Abgeordneten der Ungarndeutschen in der Ungarischen Nationalversammlung, Zoltán Kiszelly, den Direktor des Forschungsinstituts Századvég, sowie Michael Winzer, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ungarn.