Das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium veranstaltete am diesjährigen MCC Feszt in Esztergom zum dritten Mail eine Podiumsdiskussion, die einzige, die sich speziell mit einem Land beschäftigte. Die in englischer Sprache geführte Diskussion hatte den Titel „Be Mainstream or Be Quiet – Is there a Limit for Freedom of Speech in Germany”. Teilnehmer waren der ehemalige Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, die Autorin und CDU-Politikerin, Franca Bauernfeind, und der Gründer von „TheRepublic“, Armin Petschner-Multari. Moderiert wurde die Diskussion vom Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, Bence Bauer.
Zum Einstieg zitierte Bauer eine Allensbach-Studie aus dem Jahre 2023 nach der mittlerweile 44 Prozent der Deutschen nicht mehr das Gefühl haben, ihre Meinung frei äußern zu können und fragte die Panelisten nach den Gründen dafür. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass es glücklicherweise in Deutschland keine staatliche Einschränkung der Meinungsfreiheit gebe. Bauernfeind sah jedoch einen zunehmenden Trend der Cancel Culture, der aus den USA nach Deutschland gekommen sei und sich besonders in den Medien verbreite. Diekmann wandte ein, dass die Deutschen sich gerne beschweren würden, es jedoch eher eine Fremd- als eine Selbstwahrnehmung sei. Auch früher sei die Situation ähnlich gewesen, etwa in den 80er Jahren in der Diskussion um die atomare Bewaffnung. Es gebe aber eine wachsende Selbstzensur. Petschner-Multari sah den Ursprung dieser Entwicklung in der Behandlung der Migrationskrise 2015. Durch die mediale Verbreitung der Willkommenskultur sei die Debatte verengt worden, kritische Stimmen nicht berücksichtigt worden, wodurch der Eindruck vermittelt worden sei, diese Meinungen seien unerwünscht. Dies habe der AfD Aufwind gegeben.
Befragt nach eigenen Erfahrungen mit Cancel Culture berichtete Petschner-Multari, dass ein von ihm organisiertes Treffen von Friedrich Merz mit dem amerikanischen Senator Lindsey Graham (Republikaner) auf Druck der Medien abgesagt worden sei. Diese Form der Kontaktschuld, bei der man bereits für Aussagen seiner Gesprächspartner kritisiert werde, habe er oft erlebt. Diekmann konnte nicht von eigenen Erfahrungen berichten. Er meinte, er habe als Bild-Chefredakteur aber eine privilegierte Position gehabt. Manchmal habe es Politiker gegeben, die erfolglos versucht hätten, Druck auf ihn auszuüben, so zum Beispiel Christian Wulff. Bauernfeind berichtete von ihren Erfahrungen an den Universitäten. Dort wurde sie als Mitglied der CDU mehrmals ausgegrenzt und beschimpft. Sie habe daher versucht, die Gesellschaft mit ihrem Buch „Black Box Uni: Biotop linker Ideologien“ für die Umstände an den Universitäten zu sensibilisieren. Die Debattenkultur sei dort verloren gegangen, Gendersprache, Safe Spaces und Triggerwarnungen an der Tagesordnung.
Diekmann nannte als weiteres Beispiel die Selbstzensur der Presse durch den Presserat. Mit diesem habe er als Chefredakteur ständig Konflikte gehabt. Er sei für die bloße Nennung der Nationalität von Straftätern kritisiert worden. Erst nach 2015 habe es einen Umschwung gegeben und andere Zeitungen seien zu dieser Praxis übergegangen. Man müsse sich trauen, solchen und ähnlichen Forderungen nicht zu entsprechen. Petschner-Multari meinte, die anwesenden Diskussionsteilnehmer seien nicht Opfer dieser Cancel Culture, dafür aber viele Andere. Für diese müsse man Vorbild sein und vorangehen. Mittlerweile seien auch Debatten möglich, die früher nicht möglich waren. Es erwachse eine Bewegung gegen Links, die die Politik zum Umdenken bringen könne. Als Beispiel nannte er das Verbot der Gendersprache in Behörden und Schulen in Bayern.
Diekmann bezeichnete die heutige Medienlandschaft als resilienter als früher, die Schwelle für die Medienarbeit sei niedriger. Social Media hätten es jedem ermöglicht, seine Meinung zu verbreiten. Ein Beispiel dafür sei der Trump-Erfolg. Deutsche Medien seien zudem so frei wie nie zuvor. Insbesondere die Informationsfreiheitsgesetze erleichterten die Recherche. So sei das Kanzleramt nach einem Dinner, das Angela Merkel für den CEO der Deutschen Bank gegeben hatte, gezwungen gewesen, die Gästeliste offenzulegen.
Abschließend stellte Bauer die Frage, was man gegen diese Entwicklungen tun könne. Bauernfeind meinte, man müsse junge Menschen empowern, sich an den Unis frei äußern zu können. Durch Anbiederung an den Mainstream könne man nichts erreichen. Petschner-Multari sah einen Wendepunkt erreicht. Die Realität würde sich früher oder später durchsetzen, realitätsfremde Ideologien zwangsläufig scheitern. Auch die CDU würde sich unter Friedrich Merz wieder dafür öffnen; es brauche aber Impulse von außen. Diekmann meinte, dass zwar immer verrücktere Dinge passierten; die Situation an den Universitäten sei seit dem 7. Oktober 2023 besonders schlimm, Antisemitismus virulenter als etwa in Ungarn. Die Realität würde sich aber immer durchsetzen, Dinge sich schnell ändern.
Rund 70 Zuschauer verfolgten die Podiumsdiskussion mit regem Interesse.