Am 20. Februar 2024 präsentierte das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit das Buch „Ungarn verstehen” von Professor Werner J. Patzelt in der Botschaft von Ungarn in Berlin. Rund 80 Personen nahmen an der voll besetzten Veranstaltung teil.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Péter Györkös, dem ungarischen Botschafter in Berlin, der in seiner Rede betonte, dass Bücher wie das von Professor Patzelt eine wichtige Aufgabe hätten, da sie darauf abzielten, der deutschen Gesellschaft ein ausgewogeneres Bild von Ungarn zu vermitteln, im Gegensatz zu dem verzerrten Bild, das die deutschen Medien von Ungarn vermittelten.

Das Buch wurde von Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, laudiert. Als das Institut Professor Patzelt im September 2021 als Gastprofessor begrüßte, habe er sich nicht vorstellen können, dass er zwei Jahre später ein so wichtiges Werk in den Händen halten würde, denn die Idee zu dem Buch über Ungarn sei erst einige Monate später in Patzelts Kopf entstanden. Wie er sagte, sei „Ungarn verstehen“ eines von drei Büchern, die das Institut auf dem deutschen Buchmarkt veröffentlicht habe. Wie der Erfolg der Bücher „Der ungarische Staat“ und „Ungarn ist anders“ zeige, bestehe in Deutschland eine große Nachfrage nach einem Verständnis des ungarischen Denkens und der ungarischen Politik. Bauer wies darauf hin, dass die Stärke des Buches von Professor Patzelt darin liege, dass der Autor niemanden belehren oder bekehren wolle: Er stütze seine Aussagen auf Fakten und überlasse es dem Leser, sie zu interpretieren. Wie er erklärte, befasse sich das Buch mit der Politik und dem öffentlichen Leben, aber Patzelt stelle auch die Kritik dar, die über Ungarn geschrieben werde. Er fügte hinzu, dass „ein Großteil der Debatte und des Diskurses über Ungarn viel mehr über Deutschland aussagt als über unser Land“.

Die Podiumsdiskussion im Anschluss an die Laudatio wurde von Alexander Marguier, Chefredakteur der Zeitschrift Cicero, moderiert. Marguier ging zunächst auf die Erwartungen Patzelts an Ungarn ein. Patzelt erläuterte, dass er, abgesehen von grundlegenden politischen Informationen und einigen kurzen Besuchen, keine tieferen Kenntnisse über Ungarn gehabt habe. Er sei daher sehr daran interessiert gewesen, ob das, was er in den deutschen Medien über das Land gehört habe, der Wahrheit entspreche und habe mehr über die Triebkräfte der ungarischen Politik erfahren wollen. Dies habe ihn unter anderem dazu motiviert, das Buch zu schreiben. Marguier wies darauf hin, dass die ungarische Geschichte in dem Buch eine wichtige Rolle spiele. Der Grund dafür, so Patzelt, sei, dass historische Erfahrungen eine entscheidende Bedeutung für das politische Denken in Ungarn hätten: Die Vernichtung der tatarischen und mongolischen Heere, die 150 Jahre osmanische Unterdrückung, die ständigen Freiheitskämpfe gegen die Habsburger und schließlich die sowjetische Zeit zwischen 1945 und 1989 hätten die ungarische Politik nach dem Systemwechsel geprägt. Der Freiheitsdrang der Ungarn und ihr Kampf gegen die Unterdrücker zeigten sich auch in dem andauernden Windmühlenkampf mit Brüssel. Während Westeuropa dazu neige, Viktor Orbáns politische Aktionen und Vetos als Attentat auf die EU zu interpretieren, wisse jeder, der mit der ungarischen Geschichte und Denkweise vertraut sei, dass die Wahrung der nationalen Souveränität neben dem Engagement für Europa ein wichtiger Teil der ungarischen Interessen sei.

Während des Gesprächs wurde Ungarns Position zum Krieg Russlands in der Ukraine erörtert, die laut Patzelt von vielen - auch fälschlicherweise - als Zeichen der Russlandfreundschaft interpretiert werde. Er fügte hinzu, dass das derzeitige Narrativ lauten solle, dass Ungarn sich „nicht in die Europäische Union integrieren“ wolle, „ständig Sonderwünsche äußert, gegen die europäische Ideologie handelt und, was am schlimmsten ist, ein Freund des russischen Aggressors ist“. All das entspreche nicht der Realität, und deshalb wäre es gut, wenn „mehr Journalisten in Deutschland das Buch lesen würden“. Patzelt betonte, dass der Abbruch einer langjährigen, guten Beziehung wie der deutsch-ungarischen Freundschaft unter keinen Umständen toleriert werden dürfe. „Deutschland spielt eine zu wichtige Rolle in der Europäischen Union, als dass es sich erlauben dürfte, einen wichtigen östlichen Staat der Europäischen Union aus Unwissenheit und Vorurteilen heraus zu verunglimpfen, verächtlich zu machen oder anzufeinden“, hob er hervor. Er zitierte den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, der „immer gesagt hat, dass Deutschland ein Freund der kleineren Länder in der EU sein sollte, und Ungarn ist eines davon“.

 

„Jeder Deutsche, der kein Freund Ungarns sein will, sondern stattdessen lieber die ungarische Regierung maßregelt, macht einen Fehler“, schloss er.