Gemeinsam mit dem Institut für Migrationsforschung organisierte das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium am 6. Mai 2021 eine auf Zoom übertragenes Online-Expertengespräch – die erste Veranstaltung solcher Art, die in Zusammenarbeit der beiden Institute durchgeführt wurde.
Zum Auftakt hielt der Extremismusforscher Dr. Florian Hartleb einen Vortrag zum Thema „Radikalisierung von innen. Die islamistischen Terroranschläge in Berlin, Dresden und Wien und ihre Folgen“. Im Anschluss gab Dr. Omar Sayfo, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Migrationsforschung, Einblicke in den Kampf der ägyptischen Kindermedien gegen die Radikalisierung von muslimischen Kindern. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Forschungsdirektor des Institutes für Migrationsforschung, Herrn Dr. Viktor Marsai. An der Online-Veranstaltung nahmen 35 Personen teil.
Hartleb stellte zum Anfang seines Kurzvortrages fest, dass die deutsche „wehrhafte Demokratie“ derzeit fundamental vom radikalen Islamismus herausgefordert wird. Einen nicht unwesentlichen Anteil hieran hätten die über die Flüchtlingsrouten nach Europa gekommenen religiösen Extremisten, zu denen auch Anis Amri, der Attentäter vom Anschlag auf dem Breitscheidplatz, gehörte. Der Politikwissenschaftler Hartleb, der im Rahmen seiner Forschertätigkeit Einblicke in die polizeilichen Akten erhalten hatte, kam zu dem Ergebnis, dass in Deutschland ein grobes Versagen der Behörden bei der Einschätzung des Gefahrenpotenzials Amris, aber auch des Terroristen, der in Dresden mordete und beabsichtigte „Christen zu schlachten“, festzustellen ist. Informationen und Warnungen ausländischer Geheimdienste wurden nicht verfolgt; trotz der Einstufung als Gefährder erfolgte eine Bagatellisierung des Anschlagsrisikos. Des Weiteren kritisierte Hartleb das Fehlen einer objektiven, ausgewogenen Diskussion um die Gefahren „von außen“, die sich durch die Migrationskrise ergeben. Er sieht Fehler bei der deutschen Regierung, welche, um die Willkommenskultur nicht aufzugeben, Bedrohungen, die mit den „neuen Deutschen“ kommen, verkannte.
Nach den Ergründungen der Wege einer Radikalisierung führte Dr. Omar Sayfo in die Möglichkeiten der Deradikalisierung ein. Sayfo konstatierte, dass im arabischen Raum, der - – wie Westeuropa – die Gesellschaft ebenso von radikalislamistischen Strömungen belagert wird, die ägyptischen Kindermedien eine bedeutende Rolle in der Islamismusprävention einnehmen. In Ägypten, dem „Hollywood der arabischen Welt“, befindet sich die Al-Azhar, die eine für den sunnitischen Islam weltweit tragende wissenschaftliche Institution ist. Ihr obliegt die Beurteilung und zum Teil Produktion von Filmmaterial religiösen Inhaltes. Diese Rolle einnehmend, setzt sie großen Wert darauf, in ihren Serien und Kinderfilmen den wahren Islam darzustellen, wozu die Toleranz anderer Religionen, zu denen auch die Nicht-Buchreligionen gehören, zählt, wie auch der Respekt gegenüber Frauen und das Demaskieren der Radikalen. Durch die Benutzung dieser Formen der Populärkultur lasse sich nicht nur die ausgesprochen junge Bevölkerung Ägyptens, sondern die gesamte muslimische Bevölkerung der Welt ansprechen, so Sayfo. Ägypten, das im Vergleich zu den Ölstaaten durch eine gemäßigtere Religiosität sowie durch eine weniger expansive Außenpolitik gekennzeichnet ist, stellt mit der Al-Azhar daher eine gewichtige Kraft im Kampf gegen den muslimischen Extremismus.
Im Rahmen der an die Vorträge anknüpfenden Diskussionsrunde klärten die Redner Fragen bezüglich der Bedeutung der Migration als Thema vor der Bundestagswahl, den Folgen des Truppenabzuges aus Afghanistan wie auch den Unterschieden zwischen der islamistischen Szene in Frankreich und Deutschland.