Am 16. Januar 2023 veranstaltete das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit am MCC in Kooperation mit der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V. im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Deutschland und Ungarn im Gespräch“ einen Online-Vortrag mit Imre Ritter, dem Abgeordneten der Ungarndeutschen in der Ungarischen Nationalversammlung, zum Thema „Nationalitäten in Ungarn“. Zur Veranstaltung schalteten sich über 50 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und Ungarn zu, welche noch vom ungarischen Publikum vor Ort verstärkt wurden.
Die Reihe „Deutschland und Ungarn im Gespräch“ bringt sei nunmehr über zwei Jahren erfolgreich und mit großer Resonanz deutsche und ungarische Entscheidungsträger in beiden Ländern zusammen und steht damit ganz im Zeichen der traditionsreichen deutsch-ungarischen Freundschaft. In ihrem diesmaligen Ableger kamen Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, und Dr. Gerhard Papke, Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, mit dem ungarndeutschen Abgeordneten Imre, oder in deutscher Schreibweise, Emmerich Ritter zusammen.
Nach der Begrüßung und Eröffnung durch Bence Bauer verwies Papke auf die allgemeine Unkenntnis über Ungarn im deutschsprachigen Raum, auch insbesondere zur Repräsentanz deutscher Minderheiten. Gerade jedoch nun, wo sich der Gedenktag der Vertreibung der Ungarndeutschen bald jährte, biete sich ein wichtiger Anlass, auf die Vielschichtigkeit und Sensibilität der ungarischen Minderheitenpolitik hinzuweisen. Ritter ergänzte, dass selbst in Ungarn noch vor 10 Jahren wenige Informationen über die Nationalitäten bekannt gewesen seien. Erst in den letzten Jahren habe das Thema eine immer bewusstere und öffentlichkeitswirksame positive Strahlkraft gewonnen.
Die Minderheitenpolitik in Ungarn, führte Ritter weiter aus, habe jedoch eine längere Tradition. Seit 1993 gebe es auf Basis des Minderheitengesetzes sowie des Wahlgesetzes die Grundlage für Selbstverwaltungen auf lokaler und Komitatsebene. Heute zähle das System stolze 406 lokale deutsche Nationalitätenselbstverwaltungen mit verschiedenen Rechten und Pflichten, dazu 13 auf Komitatsebene sowie die Landesselbstverwaltung, die sich aus einer 47-köpfigen Vollversammlung zusammensetze.
Ritter zeichnete anschließend den Weg der deutschen parlamentarischen Nationalitätenvertretung nach, der es sowohl 2018 und 2022 als einziger Nationalität gelungen sei, die nötigen ca. 25.000 Stimmen (1/4 der durchschnittlich für ein Mandat benötigten Stimmen) für einen ordentlichen Abgeordneten bei den Wahlen zu erringen. Alles in allem habe diese Entwicklung große Auswirkungen auf das Leben der Ungarndeutschen gehabt und wichtige Ergebnisse gebracht, die es ihnen ermöglicht hätten, ihre Zukunft in die eigenen Hand zu nehmen. So habe man im Parlament einen Nationalitätenausschuss formiert, welcher selbstständig Gesetze ausarbeiten, Modifizierungen einbringen und Meinungen äußern könne. Ebenso sei es gelungen die Unterstützungsgelder von ca. 4 Mrd. HUF (10 Mio. EUR) auf 22 Mrd. HUF (55 Mio. EUR) zu erhöhen.
Im Anschluss an Ritters Vortrag widmete sich die Podiumsdiskussion der drei Teilnehmer unter anderem der konsensorientierten und lagerübergreifenden Arbeit des Nationalitätenausschusses, den Wahlmöglichkeiten von Minderheitenvertretern, den außerparlamentarischen Strukturen der Selbstverwaltung in den Städten vor Ort und dem Minderheitenbildungssystem.
Zuletzt wurde die Runde auch für die zahlreichen Fragen des Publikums geöffnet. So drehte sich das Gespräch unter anderem um den lebhaften Austausch der Minderheiten untereinander in Europa und auch mit dem deutschen Mutterland, das ungarische Kulturleben in Deutschland oder auch die deutsche Sprache und Kultur als Gewinn und Bereicherung.
Für ausführlichere und weitere Informationen zum Thema „Minderheiten in Ungarn“ lesen Sie auch unseren Beitrag in der Reihe „Faktenwissen Ungarn“ hier.