Am 25. September fand in Győr, im Rahmen eines Besuchs des dortigen MCC-Bildungszentrums, eine spannende Podiumsdiskussion in englischer Sprache zum Thema „Germany’s `Willkommenskultur´: Impacts and Lessons“ statt. Gehalten wurde diese zum einen von Prof. Dr. Oliver W. Lembcke, Professor für Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und Visiting Fellow des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit, sowie Alexander Rasthofer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutsch-Ungarischen Institut, der an diesem Abend die Moderation übernahm. Das Publikum bestand aus rund 50 bis 60 Zuschauern, zu einem großen Teil MCC-Studenten aus Győr.

Auf eine kurze Begrüßung und Einleitung durch eine Studentin des MCC Győr sowie Mihály Dömötör, Vertreter des MCC Győr, und eine Vorstellung des deutschen Visiting Fellows Prof. Dr. Lembcke durch Alexander Rasthofer, folgte zunächst eine Klärung des Begriffs „Willkommenskultur“ für das überwiegend ungarische Publikum. Die Vorstellung hinter der Willkommenskultur, die als „Buzzword“ erst um die Flüchtlingskrise von 2015 richtig aufgekommen sei, sei bis auf die Grundzüge der Aufklärung und des Humanismus zurückzuführen und handele sich weniger um ein wirkliches Konzept als vielmehr eine Hoffnung auf eine offene, akzeptierende und willkommensbereite Gesellschaft. Der 54-jährige Professor stellte dabei schnell fest, dass die Willkommenskultur auf breiter Linie, fatal gescheitert sei. Darum habe der Begriff „Willkommenskultur“ heute eine überwiegend negative, pejorative Konnotation im deutschen Sprachgebrauch.

Auf die Frage warum die Politik der offenen Grenzen und weitestgehend unreglementierten Massenmigration von Merkel und ihren Nachfolgern verfolgt worden sei und weitergeführt werde, antwortet Lembcke, dass es sich nicht nur um eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz handle, sondern am Ende eine politische Entscheidung getroffen werden müsse. Letztendlich scheitere es daran, dass es keinen kohärenten Plan gebe, wie man die Migrationsfrage auf moralische Art und Weise lösen könne. Merkels „Wir schaffen das“ sei nicht weniger als ein Zeugnis der Überraschung. Man habe damals schlichtweg nicht mit einer derartigen Migrationswelle gerechnet und dabei im Moment die langfristige fatale Entscheidung getroffen, diese hineinzulassen.

Darauf stellte sich die Frage, warum die Deutschen denn immer noch so zögerlich seien, Maßnahmen auf diesem Gebiet zu ergreifen. Dafür bedürfe es eines rechtlichen Rahmens, so Lembcke, man müsse unterscheiden zwischen Flüchtlingen und Migranten. Der Fehler liege dabei darin, dass man dies zwar in der Theorie tue und der rechtliche Rahmen existiere, die festgelegten Richtlinien, welche das Asylrecht auch theoretisch auf drei Jahre ohne Verlängerung beschränken, jedoch in der Praxis häufig umgangen werden bzw. schlichtweg nicht umgesetzt werden würden. So reiche es schon, bei sich oder im Kreis seiner Familie eine therapiepflichtige psychische Krankheit zu simulieren, oder sich seiner persönlichen Dokumente zu entledigen und sich damit nicht identifizierbar zu machen, um es der deutschen Bürokratie praktisch unmöglich zu machen, ein Abschiebungsverfahren einzuleiten. In der Praxis bedeute das, in den überwiegenden Fällen dürfe man, wenn man es einmal über die Grenze geschafft habe, auch bleiben. Auf der anderen Seite schaffe das Angebot von finanzieller Unterstützung, Bildungsangeboten und des deutschen Gesundheitssystems zu große Anreize für Migranten, das Risiko auf sich zu nehmen. Auf die Frage, ob Deutschland diese Anreize absichtlich schaffe, antwortet Lembcke jedoch entschieden mit einem Nein. Er sehe keine große Strategie hinter dem deutschen Vorgehen.

Aus der Frage nach den Auswirkungen der Flüchtlingspolitik ab 2015 ergebe sich Lembcke zufolge ein eindeutig negatives Bild. Dies machte er an Zahlen und Daten fest. So seien vor allem die niedrige Produktivität der Migranten von 2015 von 70 Prozent Leistungsempfängern zu lediglich 30 Prozent, die ihren Lebensunterhalt ohne Leistungen aufrechterhalten könnten, sowie deren starke Überrepräsentierung in schweren Verbrechensstatistiken Indizien dafür, dass die Integration auf breiter Ebene weitestgehend gescheitert sei.

Die AfD sei dabei der große Profiteur der Migrationskrise, da sie die einzige Partei sei, die offen eine richtige und lautstarke Opposition zur Willkommenskultur darstelle. So sei ein sehr großer Teil der Wählerschaft weder rechtsextrem noch unbedingt eindeutig dem konservativen Spektrum zuzuordnen, sondern werde allein durch einen Mangel anderer Optionen in dieser Frage zur AfD getrieben. Die Brandmauer der anderen Parteien gegen die AfD würde darüber hinaus in Zukunft zu Problemen ganz anderer Art führen, da die Koalitionsfähigkeit der anderen Parteien, insbesondere der CDU und insbesondere in den Bundesländern des Ostens, wo die AfD bereits bei über 30 Prozent stehe, nun immer weiter zurückgehe.

Gegen Ende der Podiumsdiskussion folgte eine kleine Fragerunde aus dem Publikum. Vor allem, dass der deutsche Verfassungsschutz gegen die AfD agiere, stieß auf Interesse. So sehe man zwar, dass Untergruppen der AfD eine Gefahr darstellen könnten, dass der Verfassungsschutz jedoch bei der demokratisch gewählten AfD eingeschaltet sei, jedoch scheinbar ein blindes Auge für grüne Extremistengruppen oder eindeutig gewalttätige Gruppen wie die Antifa habe, sehe man als Zeichen echter Probleme in der deutschen Rechtsstaatlichkeit. Lembckes Antwort zufolge spiele es hier eine große Rolle, dass man in Deutschland aufgrund der deutschen Geschichte andere Schlüsse gezogen habe und die Gefahr von rechts zu jeder Zeit als deutlich größer einschätze als aus anderen Richtungen. Anstatt die AfD zu isolieren, was ihr Lembcke zufolge kontinuierlich nur mehr Zulauf gebe, solle man offene Forderungen an sie stellen. Vor allem die CDU solle sich bereit zu einer Koalition zeigen, jedoch als unweigerliche Bedingung stellen, dass sich die Partei ihrer offen rechtsextremen Mitglieder entledige.