Gemeinsam mit dem Mathias Corvinus Collegium veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung die Vorstellung des Buches „Der ungarische Staat – Ein interdisziplinärer Überblick“ mit anschließender Diskussionsrunde am Dienstag, den 16. November 2021, in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Neben den Herausgebern des Buchs beteiligte sich auch der parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger an der Diskussionsrunde.
Der stellvertretende Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, Frank Priess, eröffnete die Veranstaltung vor gut 100 geladenen Gästen aus Politik, Wissenschaft und Bürgergesellschaft. Frank Priess betonte die Bedeutsamkeit des vorliegenden Buches insbesondere zur Versachlichung der Diskussion der deutsch-ungarischen Beziehungen. Auch die geschichtlich sehr guten Beziehungen kamen in der Eröffnungsrede von Frank Priess nicht zu kurz, verwies er doch auf den Beitrag Ungarns bei der Überwindung des Eisernen Vorhangs. Dementsprechend sei es essenziell, dass die Arbeit an den guten bilateralen Beziehungen nicht abbricht.
Die Bedeutung der Veranstaltung wurde diesbezüglich ebenfalls in einem Grußwort von Péter Györkös, ungarischer Botschafter in Deutschland, hervorgehoben. Györkös stellte den Wert des miteinander Sprechens heraus und sprach sich für einen wissenschaftlichen statt emotional geladenen Dialog aus. Es brauche einen gewissen Grad an beidseitigem Engagement, um das jeweilige Gegenüber zu verstehen und insbesondere, um nachvollziehen zu können, wie Ungarn und seine Bürger funktionieren.
Anschließend stellte Bence Bauer, der Leiter des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium, den Sammelband zusammenfassend vor. Bauer betonte die Einzigartigkeit des Buches, welches die Vielschichtigkeit des ungarischen Staates, der ungarischen Gesellschaft und der ungarischen Seele zu begreifen versucht. Thematisch wiederkehrend sind im Buch folgende Schlagwörter: Staat, Souveränität und Nation – wie die gleichnamige Reihe des Springer-Verlages, bei dem der Band erschienen ist.
In der nachfolgenden Podiumsdiskussion diskutierte Steffen Bilger, Staatssekretär im Verkehrsministerium und Abgeordneter im Bundestag seit 2009, mit den beiden Herausgebern des Sammelbandes Balázs Orbán, Stellv. Minister und Kuratoriumsvorsitzender des Mathias Corvinus Collegium sowie Zoltán Szalai, Generaldirektor des Mathias Corvinus Collegium. Moderiert wurde die Diskussion von Bence Bauer.
Einer der wichtigsten Aspekte der Podiumsdiskussion, welcher von allen Diskutanten gleichsam bekräftigt wurde, war die Bedeutung des gegenseitigen Verständnisses. Balázs Orbán, gefragt nach der Entstehungsgeschichte des Buches, betonte, dass es „ursprünglich nicht für Ausländer geschrieben wurde, damit sie Ungarn besser verstehen. Es entstand für uns Ungarn, die seit 30 Jahren endlich in Freiheit leben können, nachdem sie zwei Diktaturen durchmachen mussten. Die neue Generation muss lernen, wer wir sind, woher wir kommen, wie wir gegenwärtig handeln und warum“. Orbán hob den Stellenwert von drei distinkten Aspekten hervor: Geschichte, Geografie, Kultur. Ohne die tiefergehende Kenntnis dieser Elemente könne man Staaten nicht verstehen. „Verstehen“ ist jedoch kein einseitiger Prozess, sondern ein Vorgang, an dem beide Seiten, Deutschland und Ungarn, fortwährend arbeiten müssen, um die engen Beziehungen zueinander zu verbessern. Das Erscheinen des Buches auf Deutsch stellt dabei einen wichtigen Schritt auf diesem Weg dar, so Orbán.
Auch Staatssekretär Bilger nahm diesen Faden auf und verdeutlichte, dass die neue Bundesregierung gefordert sein wird, den Austausch auf europäischer Ebene weiterzuführen. Der Dialog miteinander ist und bleibt das oberste Gebot in Europa. Trotz spürbarer politischer Meinungsverschiedenheiten zwischen Ungarn und Deutschland „kann man sich angesichts der gemeinsamen Geschichte nur wünschen, dass es wieder besser wird, dass man mehr aufeinander zugeht. Dafür gibt es gute Grundlagen, weil enge wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen den beiden Staaten bestehen.“ – so Bilger. Zugleich, so Szalai, stehen beide Staaten vor ähnlichen großen Herausforderungen: „Die demographische Frage und die der Migration müssen wir wegweisend lösen, wenn wir in die Zukunft schauen. Dabei müssen wir auch auf die jungen Leute und deren Talente ein großes Augenmerk legen. Ungarn kann nur wettbewerbsfähig sein, wenn die jungen Leute eine solche Bildung bekommen, die der in Berlin, New York oder Paris in nichts nachsteht.“
Abschließend wurden einige Fragen aus dem Publikum entgegengenommen, welche die allgemeine Wahrnehmung zwischen Ungarn und Deutschland unter die Lupe nahmen. Auf dem nachfolgenden Empfang wurden die konstruktiven Diskussionen fortgeführt, die den Abend, der ganz im Zeichen des gegenseitigen Austausches stand, abrundeten.
„Der ungarische Staat – Ein interdisziplinärer Überblick“ wurde, nachdem sein ungarisches Original infolge seines Erscheinens im Jahre 2019 breiten akademischen und gesellschaftlichen Widerhall erfahren hat, im Januar 2021 auch in deutscher Übersetzung beim Springer-Verlag herausgegeben. Es ist ein intellektuelles Manifest der jüngeren ungarischen Geisteswissenschaften – mehrere der fast 30 Beiträge von renommierten Wissenschaftlern, Juristen, Politikern und Literaten dienen überdies als theoretischer Unterbau konservativer Politik in Ungarn. Das Werk ist ein Schlüssel zum ungarischen Denken, zur ungarischen Geschichte und zum Verständnis des ungarischen Staatsaufbaus.
Näheres zum Buch unter diesem Link.