Nachdem Franziskus 2021 anlässlich des Eucharistischen Kongresses die ungarische Hauptstadt Budapest nur für einige Stunden besuchte hatte, verbrachte er vom 28. bis zum 30. April ganze drei Tage in Ungarn. Kein Wunder, dass das ganze Land schon im Vorfeld im Papstfieber war und sich Wochen vorher herausputzte. Zeitgleich wurde viel gemunkelt, was wohl die Absicht des Papstes hinter diesem intensiven Aufenthalt sein könnte. Einige erwarteten eine Ohrfeige für die restriktive ungarische Migrationspolitik, andere wiederum hofften auf Worte der Vernunft und des Friedens in kriegerischen Zeiten – und damit auf Bestätigung für den Kurs der ungarischen Regierung, die für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine eintritt.

Wer in den vergangenen Tagen die Berichterstattung deutscher Leitmedien zum Papstbesuch verfolgte, bekam denn auch ein klares Bild: „Papst ruft Ungarn zu mehr Offenheit gegenüber Migranten auf“ war dort zu lesen, genauso wie „Franziskus wirbt in Ungarn für offene Türen“ oder auch „Papst-Appell für Migranten in Ungarn“. Vor allem diese Botschaft sei es gewesen, die der Papst in Ungarn verkündet habe. Tatsächlich kritisierte Franziskus die Politik der verschlossenen Türen, was als Kritik an der Migrationspolitik Ungarns verstanden werden kann. Ganz im Gegensatz dazu schreiben aber regierungsnahe wie -kritische ungarische Medien einhellig positiv über den Papstbesuch, der eine große Ehre für das Land darstelle. Von Papst Franziskus’ Appell für offene Türen ist da nur am Rande die Rede. Ist das nur ein Missverständnis? Oder tappen die deutschen Medien wieder einmal im Dunkel des toten Winkels der Ungarnberichterstattung umher?

Sicher ist, die Botschaften des Papstes machten nicht beim Thema Migration halt und waren so komplex und vielfältig wie sein dreitätiger Besuch. Franziskus traf sich mit einer Vielzahl politischer, religiöser und kultureller Würdenträger. Von Vier-Augen-Gesprächen mit Viktor Orbán und Staatspräsidentin Katalin Novák über ein Treffen mit dem oppositionellen Bürgermeister Budapests, Gergely Karácsony, bis hin zu einer halbstündigen Rede vor Amtsträgern des ungarischen Staates im Karmelitenkloster war alles dabei. In den drei Tagen traf sich der Heilige Vater mit Vertretern der verschiedenen Glaubensrichtungen Ungarns, so auch mit den Metropoliten der russisch-orthodoxen Kirche in Ungarn und der griechisch-katholischen Kirche. Franziskus redete mit Vertretern der Roma, der Juden und kam mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zusammen. Stets lobte er dabei die Brückenfunktion Budapests und die religiöse wie kulturelle Vielfalt des Landes. Auch würdigte er den Einsatz der Ungarn bei der Hilfe und Unterstützung für Geflüchtete aus der Ukraine. Den Höhepunkt seiner Reise bildete die Heilige Messe auf dem Kossuth-Platz vor dem ungarischen Parlament, der Zehntausende folgten. In seinen Reden lobte Franziskus auch die auf christlichem Fundament stehende ungarische Familienpolitik, die er im Kontrast zur Gender-Ideologie sieht, welche die Form eines „ideologischen Kolonialismus“ sei. Dagegen kritisierte er die Uniformitätsbestrebungen in der Europäischen Union, die den Anschein mache, zu einem dunstförmigen supranationalen Gebilde zu werden. Der Ausspruch des Papstes „Wir brauchen die Einheit in Europa so, dass niemand in seiner Einzigartigkeit geschmälert wird.“ kann daher auch als Bestätigung der gegenwärtigen ungarischen Politik verstanden werden, die für mehr Freiheit in der Einheit kämpft. Den Kern der päpstlichen Reden machte freilich der Appell für den Frieden aus. „Der Chor, der den Traum vom Frieden singt“, so Franziskus, „stirbt aus, während die Solisten des Krieges sich ihren Weg bahnen.“ Und er fügte hinzu, dass es in Europa an wahren Friedensbemühungen und diplomatischen Initiativen mangele. Dass Ungarn in grundlegenden Fragen einen anderen Weg geht als der europäische Mainstream ist offensichtlich. Dass es dafür auch noch Lob vom Papst bekommt, war einer Vielzahl deutscher Medien ein Dorn im Auge. Deshalb verbeißen sie sich lieber auf Franziskus’ Kritik an der ungarischen Migrationspolitik – ob diese berechtigt ist oder nicht, mag dahingestellt sein.