In letzter Zeit steigt Jahr für Jahr die Zahl derer deutschen Staatsbürger, die ständig nach Ungarn ziehen, also nicht nur wegen Urlaub, Studium oder Arbeit. Aber warum ist das so? Oft sind es persönliche Gründe, oft aber auch die Realitäten der deutschen Gesellschaft bzw. eine Kombination dieser Gründe. Unser Artikel versucht, diese zu enträtseln.
Um wie viele handelt es sich?
Wenn wir über Deutsche sprechen, die nach Ungarn gezogen sind, muss klargestellt werden, dass wir nur über Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit sprechen, nicht aber über ungarisch-deutsche Doppelstaatsbürger, da diese in Ungarn als Ungarn gelten. Solche Personen ungarischer Abstammung, die aus diesem oder anderen Gründen die ungarische Staatsbürgerschaft erworben haben, sind in der Statistik nicht enthalten, ebenso wenig wie Deutsche, die sich nur gelegentlich in Ungarn aufhalten und daher keinen Wohnsitz haben. Ungarische Staatsbürger, die zur autochthonen deutschen Minderheit gehören, sind ebenfalls ausgeschlossen. Obwohl sie deutsche Vorfahren haben und die deutsche Nationalität für sich beanspruchen, sind auch sie Ungarn. Ihre Zahl lag 2011 bei 185.696.[1]
Nach Angaben des Ungarischen Statistischen Zentralamtes (KSH) nimmt die Zahl der dauerhaft in Ungarn lebenden Deutschen seit Jahren stetig zu. Handelte es sich in den Jahren nach der Wende noch um einige Tausend, so waren es 2019 bereits 16.537. Im Jahr 2023 leben derzeit bereits 22.310 deutsche Staatsbürger in Ungarn[2], und das Jahr ist noch nicht zu Ende! In unter vier Jahren trat ein Anstieg von ganzen 34,9 % ein. Im letzten Jahr allein betrug die Veränderung 12,9 % in nur zwölf Monaten. So können wir also eindeutig von einem dynamischen Anstieg sprechen.
Was sich hinter den Zahlen verbirgt
Nur eine kleine Zahl von Arbeitnehmern mit deutscher Staatsangehörigkeit hat ihren Wohnsitz im Lande. Laut einer Studie der Abteilung Analyse und Lohnpolitik des Ministeriums für Technologie und Industrie waren im Jahr 2021 lediglich 272 Arbeitnehmer deutscher Staatsangehörigkeit in inländischen Zahlstellen beschäftigt.[3] Darüber hinaus lag die Zahl der deutschen Studenten an ungarischen Hochschulen laut Deutschem Bundesamt für Statistik im Jahr 2020 bei genau 3.415.[4] Das bedeutet, dass die große Mehrheit der in Ungarn lebenden Deutschen, abgesehen von diesen Arbeitnehmern und Studenten, wirtschaftlich inaktiv ist. Dies beinhaltet einerseits zwar Familienangehörige, vor allem aber Rentner. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die große Mehrheit der Deutschen sich im Ruhestand befindet. Zwar ist die Zahl, der auf ungarische Bankkonten eingezahlten Altersbezüge – laut Medienberichten gibt es etwa 14.700 solcher Fälle[5] – etwas geringer als die vermutete Gesamtzahl der hier lebenden deutschen Rentner, doch gibt es viele, die sich hier dauerhaft niedergelassen haben, aber in den deutschen Statistiken nicht als solche erscheinen. Der Grund für diese Diskrepanz von einigen Tausend liegt darin, dass viele deutsche Rentner mit ungarischer Adresse, trotz offizieller Ansässigkeit in Ungarn, dennoch die Auszahlung ihrer Renten auf ihr deutsches Bankkonto beantragen, da viele eine letzte „Bastion“ in Deutschland aufrechterhalten wollen. Daher gelten sie auf dem Papier als deutsche Rentner. Auf alle Fälle ist die Zahl der in unserer Heimat lebenden deutschen Rentner Medienberichten zufolge innerhalb von fünf Jahren um 25 % gestiegen.[6]
Motivation
Für diese jüngste Dynamik kann es eine Reihe von Gründen geben. In der deutschen Medienberichterstattung stehen finanzielle Gründe im Vordergrund.[7] Viele führen aber auch ein lebenswerteres Umfeld und eine bessere öffentliche Sicherheit an. Tatsache ist, dass die Zahl der Straftaten in Deutschland im vergangenen Jahr zwar um 11,5 % gestiegen ist, im mehrjährigen Durchschnitt aber eher stagniert.[8] Der Vergleich mit Ungarn ist jedoch dennoch aufschlussreich, wo die Zahl in den letzten zehn Jahren um 64,5 % gesunken ist.[9] Noch deutlicher ist der Unterschied auf Pro-Kopf-Basis: In Deutschland lag die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner im vergangenen Jahr bei 6.762[10], während sie in Ungarn bei 1.732 lag, also nur einem Viertel des deutschen Wertes.
Neben materiellen Gründen ist der Erwerb einer eigenen Immobilie oder Hauses ein entscheidender Faktor, aber auch die Gewährleistung einer bewohnbaren Umgebung ist von Bedeutung. In Deutschland kann es sich die gehobene Mittelschicht immer seltener leisten, eine eigene Immobilie zu erwerben, während dies in Ungarn - vor allem in ländlichen Gebieten - noch möglich ist. Aber auch das günstige Klima in Ungarn, die kulinarischen und gastronomischen, touristischen und kulturellen Angebote, auch die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Ungarn sind jeweils wichtige Aspekte. Ein vollständiges Bild davon vermittelt eine Reihe von Berichten über deutsche Einwanderer, die in der zweiwöchentlich erscheinenden „Budapester Zeitung“ veröffentlicht werden.[11] Die Serie porträtiert die Hintergründe, Berufe und Beweggründe der Deutschen, die hierhergezogen sind.
Deutsche Infrastruktur in Transdanubien
Ein breites Spektrum von Unternehmen, professionellen Dienstleistern, Organisationen und Einzelpersonen hilft den Interessierten, hierher zu ziehen. In der transdanubischen Region ist die „Balaton Zeitung“ eine Art Anlaufstelle für die deutsche Welt in Ungarn, die die Ansiedlung in Ungarn[12], aber auch das Wohlbefinden der hier lebenden deutschsprachigen Menschen unterstützt. Deutschsprachige Handwerker, Dienstleistungen, karitative Einrichtungen, Seelsorger und Freundschaftsinitiativen, formalisierte regelmäßige Stammtische – all das steht hier für unsere deutschen Mitbürger zur Verfügung. Besonders aufschlussreich gestaltet sich die Übersicht über die Kleinanzeigen. Neben der „Balaton Zeitung“ und der bereits erwähnten „Budapester Zeitung“[13] können natürlich auch die schwäbische „Neue Zeitung“[14] und das „Sonntagsblatt“[15] zur Orientierung dienen, als weitere wichtige Informationsquelle nicht zu vergessen auch das Internet-Nachrichtenportal „Ungarn Heute“[16] oder gar die tägliche MTVA-Nachrichtensendung „Nachrichten aus Ungarn“[17]. Darüber hinaus liefert online auch der von Irén Rab ins Leben gerufene Blog „Ungarn Real“[18] viele wichtige Nachrichten, und nicht zuletzt ist die deutschsprachige Webseite des Deutsch-Ungarischen Instituts[19] eine wichtige Anlaufstelle. Es existieren auch zahlreiche deutsche Einrichtungen, wie etwa das Deutsche Theater in Szekszárd, die „Deutsche Bühne Ungarn“. Außerdem finden sich in Ungarn Kindergärten und Schulen der deutschen Nationalität sowie eine Hochschuleinrichtung, die ausschließlich in deutscher Sprache unterrichtet, die Gyula Andrássy Universität. Ein weiteres wichtiges Bindeglied ist die Deutsch-Ungarische Gesellschaft, die seit 2022 über eine lokale Zweigstelle verfügt. Zusammen mit dem Deutsch-Ungarischen Institut bietet sie Programme und Veranstaltungen für viele deutsche Übersiedler an.[20]
Zusammenfassung
In den letzten Jahren haben sich viele deutsche Staatsbürger in Ungarn niedergelassen – mit steigender Tendenz. In erster Linie Ruheständler, aber auch Menschen mittleren Alters nahmen zu. Die Hauptgründe spielen zunächst finanzielle Motive sowie die bessere öffentliche Sicherheit. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Zugang zu Immobilien, einschließlich der Möglichkeit, eine eigene häusliche Hobbylandwirtschaft zu gründen. Die Vorteile der ungarischen Natur (Klima, Vegetation, Grünflächen, Essen und Trinken) und die kulturellen Attraktionen sind ebenfalls von Bedeutung. Deutsche Einwanderer finden eine aufgeschlossene, gastfreundliche ungarische Gemeinschaft und eine breite deutsche Infrastruktur vor. Dies macht es ihnen leichter, sich niederzulassen und zu bleiben. Viele Organisationen vermitteln zwischen Alteingesessenen und Neuankömmlingen. So kommen immer mehr Menschen und werden von den Ungarn mit Freude willkommen geheißen.
[1] https://www.ksh.hu/nepszamlalas/tablak_nemzetiseg ˙(2023.08.16.)
[2] https://www.ksh.hu/stadat_files/nep/hu/nep0023.html (2023.08.16.)
[3] https://nfsz.munka.hu/nfsz/document/2/4/0/5/doc_url/Elemzes_a_kulfoldiek_magyarorszagi_munkavallalasarol_2021_evben.pdf (2023.08.16.)
[4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/Publikationen/Downloads-Hochschulen/studierende-ausland-5217101217004.pdf?__blob=publicationFile (2023.08.16.)
[5] https://www.vg.hu/kozelet/2023/04/ezrevel-koltoznek-magyarorszagra-a-nemetek-es-ez-mar-a-nemet-kozmedianak-is-szemet-szurt (2023.08.16.)
[6] https://www.penzcentrum.hu/otthon/20230421/szabalyosan-lerohantak-a-nemet-nyugdijasok-ezeket-a-magyar-falvakat-mindenki-itt-akar-most-hazat-1136252 (2023.08.16.)
[7] https://www.mdr.de/video/mdr-videos/c/video-712890.html?fbclid=IwAR04v9J27EMCcHyGZynhbzWkTwuKUH1hQg-SzCIfpmcim2D-ndX3mNJKKso (2023.08.16.)
[8] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197/umfrage/straftaten-in-deutschland-seit-1997/ (2023.08.16.)
[9] https://www.ksh.hu/stadat_files/iga/hu/iga0008.html (2023.08.16.)
[10] https://www.statistikportal.de/de/nachhaltigkeit/ergebnisse/ziel-16-frieden-gerechtigkeit-und-starke-institutionen/straftaten (2023.08.16.)
[11] Budapester Zeitung 2022/19, 26-29. o. / 2022/20, 26-29. o. / 2022/21, 26-29 o. / 2022/22, 26-29. o.
[13] https://www.budapester.hu/ (2023.08.16.)
[14] https://neue-zeitung.hu/ (2023.08.16.)
[15] http://sonntagsblatt.hu/ (2023.08.16.)
[16] https://ungarnheute.hu/ (2023.08.16.)
[17] https://mediaklikk.hu/musor/nemet-nyelvu-hirek-m1 (2023.08.16.)
[18] http://ungarnreal.de/ (2023.08.16.)
[19] https://magyarnemetintezet.hu/de/ (2023.08.16.)
[20] https://mcc.hu/hir/a-magyar-csaladpolitika (2023.08.16.)