Am 21. Juni 2022 fand im MCC-Bildungszentrum in Fünfkirchen/Pécs eine mit rund 40 Personen gut besuchte Podiumsdiskussion ganz im Zeichen der deutsch-ungarischen Beziehungen statt. Es kamen wichtige Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Bürgergesellschaft sowie interessierte Studenten des MCC zusammen, um Ausblicke auf das Verhältnis beider Länder zu gewinnen, gemeinsame Perspektiven zu erörtern und Trennendes zu ergründen. Gerade im Kontext der großen Bedeutung der deutschen Minderheit und Sprache in der Region, bot Pécs für diesen Anlass den idealen Ausgangspunkt.

Nach der Begrüßung durch den Leiter der MCC-Außenstelle Pécs, Róbert Pónusz, der in seiner Rede das örtliche Bildungszentrum vorstellte, welches seit 2021 für rund 300 Studenten geöffnet hatte und der die Bedeutung von Gemeinschaft und Diskurs im Bildungskonzept des MCC hervorhob, übernahm Tamás Fonay, Projektassistent für Veranstaltungen am Deutsch-Ungarischen Institut für Europäische Zusammenarbeit, die Moderation des Abends.

Herzlich willkommen zur gemeinsamen Podiumsdiskussion hieß Fonay an diesem Abend Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, Zoltán Szalonna, Bürgermeister von Véménd und Mitglied der ungarndeutschen Gemeinschaft sowie Buda Zalay, Wirtschaftsvertreter und Leiter der HR-Abteilung der Firma Körber Hungária Kft. Gemeinsam blickten sie auf die Beziehungen, zwischen Deutschland und Ungarn, die durchaus zweigleisig zu verlaufen scheinen.

Auf der wirtschaftlichen Ebene hob Szalonna die Bedeutung der kulturell-sprachlichen Verbundenheit hervor, die hervorragend ist. Zalay ergänzte den Einfluss der deutschen Sprache auf die Wirtschafts- und Beschäftigungslage der Region und Nation. Zahlreiche Firmen hätten hier erfolgreich ihre Standorte etabliert. Dennoch gestalteten sich die politischen Beziehungen eher schleppend. Bauer rekurrierte auf die Ära Angela Merkels, in der die politischen Kontakte gut und vom gegenseitigen Respekt geprägt waren. Die wirtschaftlichen, kulturellen, historischen und sprachlichen Beziehungen seien traditionell immer sehr vital gewesen. Er betonte, auch wenn die politischen Beziehungen vielleicht teils gespannt sind, seien diese nur ein Teil des schillernden Mosaiks.

Mit der neuen linksliberalen Ampel-Koalition unter Kanzler Scholz trat die deutsche Regierung nun in eine neue Phase ein. Bauer erläuterte, dass diese neue Regierung politisch gewiss nicht mit der ungarischen Agenda übereinstimme. Dies könne eine Herausforderung werden. Allerdings habe sie sich durchaus in sachpolitischen Fragen als sehr pragmatisch und sachorientiert erwiesen, sodass das bilaterale Verhältnis ausgeglichen bleiben dürfte.

Im weiteren Verlauf kam die Veranstaltung auf die junge Generation zu sprechen. Szalonna stellte in der Selbstwahrnehmung heraus: „Ich bin ein ungarndeutscher Ungar!“ Für die ungarndeutsche Jugend sei ihre deutsche Identität bis heute ein integraler Bestandteil ihres Selbstbildes. Leider spiele dieses Thema für viele Deutsche heutzutage kaum noch ein Thema, sodass den deutschen Minderheiten im Ausland oftmals mit Unwissen, Gleichgültigkeit, teils sogar mit rassistischen Vorurteilen begegnet würde. Dabei würden viele junge Ungarndeutsche immer noch mit großer Erwartung und Hoffnung auf Deutschland und seine materiellen Chancen blicken. Hierbei würden viele aber auch enttäuscht, wenn die Umstände sich als ganz anders herausstellten, als sie dies in der ungarndeutschen Heimat gewohnt seien. Und dennoch erklärte er stolz: „Ungarische Gastfreundschaft und Kreativität kombiniert mit deutschem Fleiß – das ist ein riesiger Vorteil!“

Abschließend berichtete Zalay über die wirtschaftliche Lage und Abwanderung junger Fachkräfte nach Deutschland. So sei inzwischen die Fluktuation in seinem Unternehmen auf einem Rekordtief angelangt. Szalonna stimmte zu, die jungen Leute würden auswandern, aber sie kämen wieder zurück in die Heimat. Es gebe mittlerweile ein gutes Arbeitsangebot mit ansprechender Bezahlung und sie könnten dabei sogar in ihrer eigenen kulturellen Umgebung bleiben. Dort bekämen sie viele Bildungsmöglichkeiten, ihr Wissen würden sie aber vermehrt zurück nach Ungarn bringen, um ihre Familienplanung hier anzugehen. Bauer ergänzte, so werde die Sprachkenntnis heutzutage nicht zu einer Gefahr, sondern zu einem Positivum. Die Zeiten seien vorbei, in denen jeder in den Westen gehen wollte. Die jungen Leute bauten ihr eigenes Land nun selbst auf und Ungarn stehe eine vielversprechende Zukunft bevor.

An die Diskussion schloss sich eine angeregte Publikumsfragerunde an, in der zahlreiche Wortmeldungen an die Podiumsgäste gereicht wurden. Besonderes Interesse zeigten die Besucher an der Verbesserung des deutschen Ungarnbildes, welches mittlerweile, auch für die Ungarn hör- und spürbar, deutlich gelitten hat. Auch für die Gründe dieser negativen Meinung zeigten sie sich sehr interessiert. Allen Diskutanten war spürbar gemein, dass die deutsch-ungarische Freundschaft eine deutliche Herzensangelegenheit für sie darstellte. Der Abend klang in angeregten Unterhaltungen aus.