Am 14. September 2021 um 18.00 Uhr organisierte das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit am MCC eine Veranstaltung zum Thema „Ist die Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr? Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse der Allensbach-Umfrage vom 16. Juni 2021“. Die Podiumsdiskussion machte den Auftakt zur dreiteiligen Veranstaltungsreihe, welche vom Institut vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahlen initiiert wurde. Ort der Veranstaltung war das neue MCC Gebäude am See (ehemaliges Hotel Flamenco), das bis zum Neubau des MCC-Quartiers auf dem Gellértberg als vorübergehendes Quartier der Talentschmiede dient.

In seiner Eröffnungsrede begrüßte der Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, Dr. Bence Bauer, die rund 40 Gäste und stellte den Projektleiter des Instituts für Demoskopie Allensbach, Herrn Dr. Thomas Petersen, vor. Petersen bot hiernach dem Publikum tiefere Einblicke in die Umfrage vom 16. Juni dieses Jahrs. Unter dem einführenden Titel „Die Tyrannei der Minderheit“, die „Tyrannei der Mehrheit“ von Tocqueville umkehrend, erläuterte Petersen den Konformitätsdruck, der von der meinungsbildenden Minderheit auf die Mehrheit ausgeübt wird, und der für die „Verstummung“ von Teilen der deutschen Gesellschaft mitverantwortlich ist: Weniger als die Hälfte der Deutschen würde seine Meinung zu politischen Themen frei äußern, so die Resultate der Befragung. Das Allensbach-Institut erhebt seit den sechziger Jahren den Stand der gefühlten Meinungsfreiheit, doch noch nie zuvor war diese so gering wie in der Gegenwart. Die Studie erregte nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ungarn große Aufmerksamkeit.

Dr. Petersen hob hervor, dass insbesondere die Themen Islam, Identitätspolitik sowie Patriotismus solche sind, bei denen man „sich den Mund verbrennen“ könne. Beispielsweise führte Petersen die Entwicklung des Genderns im Sprachgebrauch an, das der Umfrage zufolge fast drei Viertel der Bevölkerung für übertrieben finden – im Gegensatz dazu steht das von den Massenmedien verbreitete moralische Imperativ. Auch der Druck der Cancel Culture sowie der politischen Korrektheit sei ein Kontrollmechanismus einer die Mehrheit tyrannisierenden Minderheit, welche, Petersen nach, eine Parallelwelt bilde und vor allem dem grünen und linksliberalen Spektrum in die Hände spiele.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion erörterten Prof. Dr. Werner Patzelt, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme an der TU Dresden und Visiting Fellow am MCC, Dr. Ágoston Mráz, Direktor des Nézőpont-Instituts sowie Dr. Thomas Petersen die Ergebnisse der Umfrage. Die anwesenden Experten zogen unter anderem den Vergleich zum Stand der Meinungsfreiheit in Ungarn, wo, so Mráz, die Spaltung zwischen dem intellektuellen und nicht-elitären Milieu weniger spürbar sei und kein Konformitätsdruck vonseiten einer Minderheit, wie im Falle Deutschlands, ausgeübt werde.

Patzelt beschwichtigte hiernach: Die gesetzlich garantierte Meinungsfreiheit an sich sei in Deutschland nicht in Gefahr. Jedoch müsse man mittlerweile, anders als noch vor 15 Jahren, damit rechnen, sich infolge der Äußerung bestimmter Meinungen hohe soziale Kosten einzufangen. Zu den fairen Aushandlungsprozessen einer Gesellschaft bedarf es jedoch eines Klimas, in dem man ohne Furcht seine Meinung sagen kann, aber auch des Mutes, dem moralischen Druck zu widerstehen.

Im Anschluss bot sich die Möglichkeit, auf Fragen aus der Zuhörerschaft zu antworten und bei einem Empfang die Diskussion fortzuführen.