Am 29. Mai 2024 veranstaltete das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium zum Anlass des 300. Jubiläums des Geburtstags von Immanuel Kant, dem großen deutschen Philosophen, einen rechtsphilosophischen Fachvortrag mit dem Hamburger Rechtsphilosophen und Strafrechtler sowie derzeitigem Visiting Fellow des DUI, Prof. Dr. Reinhard Merkel. Der Vortrag unter dem Titel „Kant 300 – Zum ewigen Frieden“ fand vor einem interessierten Fachpublikum von rund 25 Personen in Budapest statt und drehte sich um die Spätschrift Kants „Zum ewigen Frieden“ (1795).
In seinem Grußwort ging Péter Dobrowiecki, Forschungsleiter des DUI, auf die große Bedeutung des Philosophen Kant bis in die heutige Zeit ein, weswegen das Jubiläumsjahr 2024 als „Kant-Jahr“ ganz im Zeichen Immanuel Kants stehe. Wie kein anderer habe er das Ideal des mündigen Menschen und der Autorität der menschlichen Vernunft sowie unsere Ideen zum Völkerrecht und der Friedenspolitik geprägt. Dobrowiecki appellierte: Als freiheitliche Demokraten habe man gerade in den heutigen Zeiten der gesellschaftlichen Polarisierung und der Fake News die Pflicht, alle Autoritäten kritisch zu hinterfragen und selber zu denken, auch wenn dies viel Mut benötige.
Prof. Merkel stellte im Folgenden die Struktur der Friedensschrift Kants dar und wie diese für alle Staaten einen Übergang vom Naturzustand zu einem Zustand des Rechts postuliere. Da der Naturzustand zwischen den Staaten ein „dauernder latenter Kriegszustand, ein Zustand allgemeiner Rechtslosigkeit, also ein höchstes Unrecht“ sei, hätten die Staaten laut Kant die „kategorische Pflicht, aus dem Naturzustand heraus in einen rechtlichen Zustand einzutreten“.
Hierzu formulierte Kant in seinem Werk in der äußeren Form eines rechtlichen Vertrages sechs Verbote und drei Gebote. Zu den sechs Verboten zählt unter anderem, dass es keinen Friedensschluss unter dem geheimen Vorbehalt geben dürfe, einen künftigen Krieg anzustreben; dass kein Staat sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen dürfe; oder dass keine Handlungen im Krieg zulässig seien, die das gegenseitige Vertrauen und damit einen künftigen Frieden dauerhaft unmöglich machen, ergo Kriegsverbrechen.
Die drei Gebote hingegen forderten, so Merkel weiter, dass erstens die bürgerliche Verfassung eines jeden Staats republikanisch sein solle. Das bedeutete für Kant die Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger, die Gewaltenteilung sowie die Verbindlichkeit der Gesetze. Zweitens, dass das Völkerrecht auf einen Föderalismus freier Staaten gründen solle. In diesem Gedanken eines Bund auf Grundlage der gleichrangigen Autonomie aller Staaten, stecke der Urgedanke des Völkerbunds und der Vereinten Nationen. Drittens, dass das Weltbürgerrecht auf Hospitalität gelten solle. Dieses gestehe den Bürgern anderer Staaten das Besuchsrecht in friedlicher Absicht und das Recht auf nicht feindselige Behandlung zu, aber den Staaten auch das Recht, Fremde abzuweisen, sofern sie dies nicht in existenzielle Gefahr bringe. Praktiken wie etwa der europäische Kolonialismus gegenüber fremden Völkern sei somit unzulässig.
Merkel schloss seinen Vortrag mit den Zusätzen der Schrift. Kant betone hier die Realisierbarkeit eines globalen Friedens. Allein, da unter den gegebenen Bedingungen der Natur ein dauerhafter globaler Frieden nicht unmöglich sei, hätten die Staaten die Pflicht, diesen Frieden anzustreben. Selbst für „ein Volk von Teufeln, wenn sie nur Verstand haben“ sei die alles überragende Primärmaxime des Friedens zwischen den Staaten auch jenseits der Moral eine logische Konsequenz der Rechtsvernunft.
Im Anschluss an den Vortrag Merkels folgte eine Podiumsdiskussion mit Henning Saßenrath, Historiker und Junior Visiting Fellow des DUI, welche anschließend dem Publikum für zahlreiche Fragen, auch rund um die modernen weltpolitischen Konflikte, geöffnet wurde.