In den letzten anderthalb Jahrzehnten herrschten schwierige, krisengeschüttelte Zeiten in Europa. Die Stabilität und Sicherheit der Nachkriegszeit und nach den friedlichen Revolutionen scheint verloren gegangen. Vor allem der Krieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch sich überlappende Krisen wie die Klima- und Energiekrise, die Covid-, Inflations- und Wachstumskrise, die Überschuldungs- und Migrationskrise rühren an den Gewissheiten über die europäische Erfolgsgeschichte. Aus diesem Grund werden vom rechten wie linken Rand unsere freiheitlichen Werte in Frage gestellt. Zu dieser Thematik hielt Prof. Dr. Ulrike Ackermann, Gründerin und Direktorin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung am 27. Juni 2023 im Scruton Café am Mathias Corvinus Collegium (MCC) vor gut 50 Gästen einen Vortrag unter dem Titel „Umstrittene Freiheit in deutschen Debatten“.

 

Die Veranstaltung wurde von Péter Lánczi, stellvertretender Generaldirektor des Mathias Corvinus Collegiums, eröffnet. In seiner Rede betonte er, dass der Umstand, dass man für die Freiheit kämpfen müsse, in Ungarn aufgrund unserer Geschichte gut bekannt sei. Er hob dabei hervor, dass das Mathias Corvinus Collegium für diese Freiheit einstehe und eine Bildungseinrichtung darstelle, in der offener Diskurs und offene Debatten geschätzt würden.

Ackermann argumentierte in ihrem einführenden Vortrag, dass Freiheitsrechte nicht nur von außen – wie beispielsweise von China oder Russland – attackiert würden, sondern auch von innen, von der neuen rechten und linken Identitätspolitik sowie dem politischen Islamismus. Um diese Werte zu verteidigen, argumentierte Ackermann, müssten wir einen Blick auf die inneren Widersprüche unserer Gesellschaft werfen und nicht-tabuisierte Diskussionen über die derzeitigen Herausforderungen, denen wir gegenüberstünden, weiterhin zulassen. Die Phänomene der Political Correctness und Cancel Culture bedeuteten einen moralischen Druck auf die liberalen Demokratien. Dieser werde jedoch nicht vom Staat ausgeübt, sondern von Gruppen, die sich in der Minderheit fühlten, aber lautstark seien. Dies habe ihrer Meinung nach zu einer neuen Schweigespirale in der Gesellschaft geführt. Dadurch sowie durch die Verbreitung der sozialen Medien würden Gruppenbildungen und Kollektivierung verstärkt, was wiederum die Spaltung der mittlerweile geschlossenen Meinungsgruppen befördere. Sie sprach außerdem die Einschränkung der Debattenräume an den deutschen Universitäten an, die sich besonders in den sozialwissenschaftlichen Fakultäten und Fächern auspräge. Zum Schluss ihres Vortrags betonte Ackermann, dass man für diese wichtigen Freiheitsrechte kämpfen und aus dieser Schweigespirale aussteigen müsse. Ihrer Meinung nach sei das die Lehre aus den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts in Europa.

Die von Kinga Dörstelmann-Fodor, der stellvertretenden Direktorin des Deutsch-Ungarischen Institutes moderierte Podiumsdiskussion handelte in erster Linie davon, wie diese in der westlichen Welt zu beobachtende Schweigespirale sowohl in der politischen als auch in der akademischen Welt beendet werden könnte. Ferner fragte Dörstelmann-Fodor nach der Tendenz, die sich in den letzten Jahren im Freiheitsindex des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung abzeichnete. Die Erkenntnisse der Veranstaltung fasste Dr. Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts zusammen, der ebenso betonte, dass sein Institut ein Forum zwischen Deutschland und Ungarn darstellen solle, in dem frei debattiert und diskutiert werden könne.

Im Rahmen ihres Fachprogramms traf Prof. Dr. Ulrike Ackermann Imre Ritter, den Abgeordneten der Ungarndeutschen und Vorsitzenden des Nationalitätenausschusses der Ungarischen Nationalversammlung, Dr. Ágoston Mráz, Direktor des Nézőpont-Instituts, Boris Kálnoky, Leiter der Medienschule des MCC, Zoltán Kiszelly, den Direktor des Zentrums für politische Analysen bei der Századvég Stiftung sowie Dr. Levente Szikra, Projektleiter am Zentrum für Grundrechte. Außerdem konnte sich Prof. Dr. Ackermann mit Dr. Heinrich Kreft, Leiter des Lehrstuhls für Diplomatie II der Andrássy Universität Budapest, Gergely Prőhle, Direktor der Otto von Habsburg Stiftung sowie Prof. Dr. István Varga, Leiter des Zentrums für Privatrecht am MCC, Inhaber des Lehrstuhls für Zivilprozessrechts an der ELTE und Honorarprofessor an der Universität Leipzig austauschen.