Mit ihrem 1981 erschienenen Debütroman „Flugasche“ wurde die gebürtige Berlinerin Monika Maron schlagartig zu einer der wortgewaltigsten Dissidenten des DDR-Regimes. Mehr als 30 Jahre später zählt sie zu den bedeutendsten Schriftstellern Deutschlands, die, wie schon in Zeiten der sozialistischen Unterdrückung, auch heute kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es politische Missstände zu diskutieren gibt.
Auf Einladung des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit reiste die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin nach Budapest, wo sie am 13. April 2023 im Scruton V.P. unter dem Titel „Der posthistorische Mensch: Der Held der Gegenwart zwischen Mut und Feigheit“ eine Lesung hielt. An der Veranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion, die von Prof. Dr. Michael Sommer, Visiting Fellow am Deutsch-Ungarischen Institut und Professor für Alte Geschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, moderiert wurde, nahmen mehr als 50 Zuschauer teil. Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, der die Veranstaltung eröffnete, ging in seinem Grußwort auf die Lebensgeschichte der Schriftstellerin ein und hob ihr literarisches und publizistisches Wirken hervor.
Maron las mehrere Passagen aus ihrem im Jahr 2020 beim S. Fischer Verlag veröffentlichten Roman „Artur Lanz“: „Ich hatte den Verdacht, dass das ganze Gerede vom Postheroismus eine Verschleierung unserer Feigheit war, dass postheroisch nur ein Synonym für feige war, wie das Wort Mut in dem Wort Zivilcourage untergegangen war.“ In diesem Werk mit seinem gleichnamigen Protagonisten entwirft Maron ein kritisches Stimmungsbild einer Gesellschaft, die sich der Frage stellen muss, ob das Heldentum eigentlich noch erlaubt ist. Der Roman ist mehr als nur Fiktion: Man merkt sofort, dass Maron zentrale Themen des Werkes ausgehend von eigenen Erfahrungen entfaltet: „Ich erfinde keine Geschichten, sondern kann mich nur gut erinnern“, so Maron.
Michael Sommer stellte in der darauffolgenden Podiumsdiskussion die Frage nach der Notwendigkeit des Heldentums in unserer postheroischen Gesellschaft. Maron erwiderte unmissverständlich, dass Heldentum weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen sollte, in der deutschen Gesellschaft jedoch vielmehr ein Begriff und eine Haltung aus der Vergangenheit sei. Dabei müsse man keinesfalls als Held geboren sein, um etwas Heldenhaftes zu vollbringen: „Man ist nicht ein Leben lang ein Held. Man muss in jenen Momenten ein Held sein, in denen Heldentum verlangt ist. Vielleicht ist man nur eine halbe Stunde ein Held, aber das kann entscheidend sein.“ Die Bereitschaft, sein Wohlgefühl oder seine physische Freiheit für etwas Höheres zu opfern, habe in den vergangenen Jahrzehnten aber radikal abgenommen. Maron verwies hiernach auf jüngste Forschungsergebnisse, die belegen sollen, dass nur noch ein geringer Teil der Deutschen im Kriegsfall bereit sei, für sein eigenes Land zu kämpfen. Das sei, so Maron, in einem Mangel an Liebe und Verantwortung begründet, ein Mangel an Liebe zur Heimat und zur eigenen Kultur sowie ein Mangel an Verantwortung, nicht nur sich selbst, sondern auch andere zu verteidigen. „Wir sind ein durch und durch pazifizierte Gesellschaft“ – konstatiert eine der Romanfiguren im „Artur Lanz“.
Der Ukraine-Krieg stellt uns vor genau diese Fragen, stellt Maron fest. Angesichts der Konfliktlinien und Spaltungstendenzen in der deutschen Gesellschaft seien Diskussionen jedoch schwer möglich, eine gemeinsame Antwort über den Umgang mit diesem Konflikt könne daher kaum gefunden werden.
Im Rahmen des auf die Podiumsdiskussion folgenden Stehempfangs konnten die interessierten Teilnehmer und Diskutanten den lebhaften Austausch fortsetzen.