Fidesz und KDNP erzielten nicht nur prozentual, sondern auch in absoluten Zahlen mit gut 2.847.000 Stimmen einen historischen Rekord.

Die Regierungsparteien können mit insgesamt 135 Mandaten im 199-köpfigen Parlament weiterhin mit einer Zweidrittelmehrheit regieren. Damit hatte zuvor niemand im In- und Ausland gerechnet.

Opposition scheiterte krachend

Die Umfrageinstitute hatten in den Wochen vor der Wahl stets nur einen kleinen Vorsprung für die Regierung gemessen, am Ende kam alles anders. Die Opposition scheiterte krachend, verlor eine Million Stimmen und musste sich vom Traum eines Regierungswechsels verabschieden. Statt einer Mehrheit, die sie dafür gebraucht hätte, erhielt sie nur etwas mehr als ein Drittel der Stimmen. Selbst Wahlkampfauftritte von EU-Politikern, wie der vom EVP-Vorsitzenden Donald Tusk am Nationalfeiertag, konnten keinen Einfluss auf die ungarischen Wähler ausüben. Ein fader Beigeschmack bleibt dabei bestehen, wenn man bedenkt, dass Tusk als EVP-Vorsitzender offenen Wahlkampf gegen die KDNP gemacht hat, die Mitglied seiner Parteienfamilie ist.

Die Wahlergebnisse machen insgesamt deutlich: Trotz aller Bemühungen von internationalen Akteuren, Einfluss auf die Wahl zu nehmen, lässt sich der ungarische Souverän nicht hineinreden und entscheidet lieber selbst. Die Wähler bestätigen mehrheitlich die Regierung in ihrer Politik der letzten zwölf Jahre. In dieser langen Regierungszeit meisterten Viktor Orbán und seine Regierung viele Großkrisen.

Ohne Lösungskompetenz kein Weiterregieren

Wenn die Bevölkerung der Regierung keine hinreichende Lösungskompetenz zuspricht – es reicht ein Blick auf Ungarns Nachbarländer – werden die Regierenden schnell abgewählt. Regierungswechsel in Tschechien oder die Regierungskrisen in Österreich oder der Slowakei bestätigen die Annahme, dass die Wähler mit den von ihren Regierungen vorgeschlagenen Lösungswegen nicht einverstanden waren. Wahlschlappen waren die unmittelbare Folge davon. In Frankreich wird sich in wenigen Tagen zeigen, ob die französische Bevölkerung Macron nochmal ihr Vertrauen ausspricht.

In Ungarn hingegen wird Viktor Orbán als kompetenter und besonnener Staatsmann wahrgenommen, der das Wohl der eigenen Bevölkerung im Blick hat und auch international souverän und entschlossen auftreten kann.

Jedoch war nicht nur der von der Regierung eingeschlagene Kurs in Fragen der Migrations-, Sicherheits- und Familienpolitik ausschlaggebend für die vierte Zweidrittelmehrheit in Folge. Die sich gegenseitig schwächenden Oppositionsparteien, die weder ein geeintes Bild nach außen abgeben, noch einen starken Kandidaten für die Wahl zum Ministerpräsidenten aufstellen konnten, leisteten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für den Sieg der Regierungsparteien. Deshalb verloren sie etwa eine Million Zweitstimmen.

Zwar schaffte es das Bündnis, seine Einigkeit bis zum Wahltag mehr schlecht als recht aufrechtzuerhalten, doch die wochenlangen Diskussionen über ein gemeinsames Programm und die Irritationen über den eigenwilligen Spitzenkandidaten ließen keine Wechselstimmung aufkommen. Bezeichnend für die herrschenden Spannungen war, dass der unterlegene Márki-Zay ohne einen einzigen Vorsitzenden der sechs Bündnisparteien an seiner Seite in der Wahlnacht seine Rede halten musste.

Bündnis bleibt bestehen – gestärkter Gyurcsány

Für die voraussichtlich am 3. Mai erfolgende erste konstituierende Sitzung des neunten Parlaments nach der Wende erhebt sich die Frage, wie sich die Opposition aufstellen wird. Erste Reaktionen nach der Wahl deuten darauf hin, dass das Bündnis fortgesetzt wird, jedoch ohne Márki-Zay, der nicht einmal seinen eigenen Wahlkreis gewinnen konnte.

Ferenc Gyurcsány erklärte, dass die Koalition der sechs Oppositionsparteien beibehalten und gestärkt werden müsse und dass es keine Alternative dazu gebe. Praktisch als einziger Oppositionspolitiker ging er gestärkt aus dem Bündnis hervor und wird in Zukunft mit einer relativ großen Zahl an Abgeordneten als starker Mann der Opposition im Parlament sitzen. Seine Partei „Demokratische Koalition“ (DK) konnte im Vergleich zu 2018 ihre Mandatszahl von 9 auf 16 fast verdoppeln. Er wird allerdings im Rahmen eines politischen Kuhhandels ein Mandat an die grüne LMP abgeben, damit diese auf die erforderliche Anzahl von fünf Abgeordneten kommt, um eine Fraktion bilden zu können.

Die Regierungsparteien thematisierten im Vorfeld die Hinterzimmerdeals der Opposition sowie die eminente Rolle von Gyurcsány im Oppositionsbündnis. Der ehemalige Ministerpräsident zieht weiterhin im Hintergrund die Fäden und kann trotz Wahlniederlage seine Position als erster Mann der Opposition weiterhin ausbauen. Er bleibt der Spiritus Rector der Linken im Lande.

Ukraine-Krieg beeinflusst Wahlkampf

Zusätzlich zur schwachen Opposition hatte auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine einen erheblichen Einfluss auf das starke Ergebnis der Listenverbindung von Fidesz-KDNP. Während die Regierung die ungarischen Sicherheits- und Energieinteressen vehement vertrat sowie vorbildliche Hilfe für ukrainische Flüchtlinge an der Grenze leistete, forderten die Oppositionspolitiker vehement die Entsendung von Kriegsgerät an die Ukraine und das Ende der russischen Energielieferungen.

Dem widersetzte sich die Regierung und appellierte an den Friedenswillen der Ungarn, die in ihrer Mehrheit nicht in den Krieg hineingezogen werden wollen. Bezeichnend dazu auch der Wahlkampfslogan der Regierungsparteien „Friede und Sicherheit“. Dennoch trägt Ungarn alle Sanktionen gegen Russland mit und handelt im Einklang mit den europäischen und transatlantischen Bündnispartnern.

Paks und russisches Gas

Für die Regierung gilt es nun, das in sie gesetzte Vertrauen weiter zu bestätigen. In den vergangenen Legislaturperioden hat die Fidesz-KDNP-Regierung den Haushalt und die Steuergesetze für das kommende Jahr noch vor dem Sommer ausgearbeitet und im Parlament verabschiedet, so dass die Vorlage dieser Vorschläge eine der ersten Maßnahmen sein könnte.

Weitere wichtige Fragen sind die Zukunft der Investitionen in das Atomkraftwerk in Paks und die Beibehaltung der Nebenkostensenkungen für Privathaushalte. Es ist davon auszugehen, dass es keine Veränderung in der Regierungslinie geben wird und die Politik der letzten zwölf Jahre fortgeführt wird. Da es zurzeit keine Alternative zu russischem Gas gibt, wird es bei der energiepolitischen Abhängigkeit Ungarns von Russland wohl vorerst keine Änderungen geben.

EU und Deutschland

Schließlich wird auch das ungarische Verhältnis zur EU und zu Deutschland eine essenzielle Rolle in den Planungen der alten und zugleich neuen Regierung spielen. Insbesondere wird das Verhältnis zu Deutschland auf wirtschaftlicher sowie politischer Ebene entscheidend werden. Dabei lässt die Tatsache, dass Politiker der deutschen Regierungsparteien aktiv in den ungarischen Wahlkampf eingegriffen haben, keine guten Aussichten zu.

Obgleich auf wirtschaftlicher Ebene die Beziehungen von einem wechselseitigen Interesse geprägt sind, könnte es auf dem bilateralen politischen Parkett schwierig werden. Jedoch dürften sich die Beziehungen zu den Unionsparteien wohl eher verbessern. Nun in der Opposition muss die CDU einen Weg der eigenen Erneuerung finden. Das Modell Ungarn kann dabei ein interessantes Anschauungsmaterial bieten. Jedenfalls lassen die Ideen von Friedrich Merz in seinem auch auf Ungarisch erschienenen Buch „Neue Zeit – Neue Verantwortung“ durchaus gemeinsame Ansichten in der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Europapolitik erkennen.

Zudem lässt die Ankündigung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass ihr Gremium den ersten Schritt des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus gehen werde, um Ungarn Mittel aus dem EU-Haushalt zu kürzen, keine positiven Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen EU-Institutionen und Ungarn zu. Es ist bezeichnend, dass die Kommission just in dem Moment tätig wird, in dem eigentlich klar sein sollte, was die ungarischen Menschen denken und wollen. Schon vor vier Jahren gratulierte Brüssel dem Wahlsieger nicht, sondern wartete stattdessen mit Vorhaltungen auf. Brüssel sollte stattdessen vielmehr den souveränen Politikansätzen der Mitgliedsstaaten größeres Vertrauen schenken. 

Unabhängig davon zeigen die Wahlergebnisse, dass die ungarische Bevölkerung hinter der Regierung und ihrer Auffassung von einem Europa der Nationalstaaten steht. Dies kann man auch in Brüssel nicht unter den Teppich kehren. Es wird sich zeigen, ob man in Zukunft den ungarischen Wählerwillen ignoriert oder versucht, wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.