Am 3. April wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Der seit 2010 regierende konservative Ministerpräsident Viktor Orban (58) ist der dienstälteste Regierungschef im Europäischen Rat und hat nach Umfragelage gute Chancen, wiedergewählt zu werden.

Während Orban im Ausland oft auf seine Sonderrolle in der Europäischen Union reduziert wird, kann seine Regierung in den Augen vieler Wähler auf eine solide Bilanz verweisen. Insbesondere die Familien-, Wirtschafts- und Migrationspolitik sind bei vielen Ungarn populär. Doch der Krieg in der Ukraine überschattet den Wahlkampf.

Dieses Mal, beim Versuch seiner vierten Wiederwahl, dürfte das Rennen allerdings knapper werden als zuvor. Während die Oppositionsparteien bei den letzten drei Wahlen einzeln gegen die Fidesz-Partei von Viktor Orban antraten, haben sie sich dieses Mal verbündet.

Der Grund ist einfach: Das ungarische Wahlsystem hat starke Elemente eines Mehrheitswahlrechts, d.h. es kommt ganz entscheidend darauf an, wer in den Einzelwahlkreisen gewinnt. Das Listenergebnis spielt eine geringere Rolle.

Die merkwürdige Allianz der Opposition umfasst linke, grüne, liberale Parteien und ein „Kuckucksei“: Jobbik (dt.: die Besseren). Die Partei galt früher als rechtsradikal, etliche Beobachter sehen dies noch immer so.

Früher schlossen die Linken jede Kooperation mit Jobbik aus, jetzt aber ist die Macht in realistischer Nähe, wird die Partei zur möglichen Ablösung Orbans gebraucht. Jobbik versucht sich in der Kommunikation moderater zu geben. Sie ist die zweitgrößte Formation dieses Bündnisses und könnte künftig durchaus Regierungsmitglieder stellen, wenn die Opposition gewinnt.

In ihrem Personal ist Jobbik ganz die alte Partei. Immer wieder fielen Vertreter von Jobbik mit antisemitischen Äußerungen auf. Ihr Kandidat in einem Wahlkreis bei den Nachwahlen 2020 bezeichnete im Jahr davor Budapest als „Judapest“ und israelische Touristen wegen ihrer Schläfenlocken als „Lauserutschen“.

Zwei der heutigen Vizepräsidenten der Partei hoben unabhängig voneinander vor Jahren noch die Hand zum Hitlergruß. Der Jobbik-Europaabgeordnete forderte von der Regierung im ungarischen Parlament noch im Jahre 2012, eine Auflistung der Menschen mit jüdischer Abstammung anzufertigen.

Der Spitzenkandidat der vereinten Opposition Peter Marki-Zay (49) macht keinen Hehl aus der „bunten“ Mischung seiner Partner und sprach davon, dass sein Bündnis auch „Kommunisten und Faschisten“ umfasse. Er glaube auch zu wissen, wie viele Juden es in Fidesz gebe.

Marki-Zay selbst will Ministerpräsident werden, wurde einst von Jobbik entdeckt und aufgebaut. Er selbst findet das unproblematisch. Seine eigene „Bewegung“ hat allerdings nur ein Mitglied, das ins Parlament einziehen könnte: ihn selbst. Marki-Zay ist allein, seine Bündnispartner sind so verschieden wie uneinig. Sie eint nur das Bestreben, Orban abzulösen.

Jobbik spielt in diesem Bündnis allerdings eine sehr wichtige Rolle, ihre Vertreter könnten durchaus an die Regierung kommen. Eine weitere wichtige Rolle spielt auch die mächtigste Partei in des Bündnisses, die Demokratische Koalition, eine Abspaltung der Postkommunisten. Damit ist das Bündnis der Ex-Kommunisten mit den Ex-Radikalen perfekt.

Bis jetzt wird diese Tatsache im restlichen Europa kaum zur Kenntnis genommen. Jedenfalls schlagen nicht nur in Ungarn jüdische Verbände und Medien Alarm. Viele Beobachter weisen darauf hin, dass es heute in Ungarn ein vielfältiges jüdisches Leben gibt und jüdische Mitbürger sehr viel sicherer sind, als in anderen Ländern.

Es gibt praktisch keine gewalttätigen antisemitischen Übergriffe. Die amtierende Regierung unterstützt die jüdischen Gemeinden und sorgt für ein friedliches Miteinander der verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Budapest ist die einzige Hauptstadt der EU, in der deutlich mehr Juden als Muslime leben.